Sonntag, Juli 15, 2007

Heute unter Blinden...

Unter Blinden ist ja der Einäugige bekanntlich König, jedoch halfen mir beim Dialog im Dunkeln auch meine beiden Augen nichts. Während der 1,5 stündigen Führung (ohne Führer hätte man so gut wie keine Chance) sieht man absolut nichts. Naja... eigentlich sieht man schon etwas, das ist aber das wilde Feuern der Neuronen, die verzweifelt versuchen in der absoluten Dunkelheit irgendetwas wahrzunehmen.

Dieses Neuronenfeuer möchte ich auch gleich aufgreifen um zunächst meine Kritik loszuwerden (wer hätte von mir schon etwas anderes erwartet, oder?):

Ich hätte es besser gefunden, wenn man eine gewisse Eingewöhnungszeit bekommt, in der man nicht auf die Ausstellung reagieren muss, sondern sich selbst in der Dunkelheit bewusst wird und mit den Trugbildern, die dem Sehenden Auge und Gehirn vorgaukeln besser umzugehen versteht. So aber wird man gleich zu Anfang mitten ins Geschehen geworfen und ist mit Blindenstock und stockdunklen Räumlichkeiten etwas überfordert. Nach dem "Musikraum" in dem ich mich sehr gut entspannen konnte, waren für mich die wirren Farbenspiele meines Sehapparats nämlich kein Problem mehr.

Mir kam unsere Gruppe (9 Personen) zu groß vor, zumindest im Verhältnis zu den Räumlichkeiten. Man stieg ständig und zwangsläufig dem Vordermann/frau auf die Füße und konnte den Blindenstock (ohne den man vollends aufgeschmissen gewesen wäre) nicht vernünftig einsetzen.

Doch nun zu den positiven Eindrücken:

100% Dunkelheit ist eine faszinierende Erfahrung, die man selbst mit guten Jalousien nicht wirklich zu Hause simulieren kann. Dies in Verbindung mit einer total unbekannten Umgebung, die szenisch gestaltet ist, ist ein Erlebnis der besonderen Art. Einen Marktstand z.B. nur "fühlen" zu können, das Erfolgserlebnis, wenn man das Gemüse richtig deutet oder die Erleichterung, wenn man den Bordstein mit dem Stock ertastet hat, bevor man darüber stolpert ist wirklich beeindruckend.

Es ist auch eine Art und Weise an die Grundängste, die bestimmt einige (mich zumindest) beschäftigen, heranzugehen. Ich war mir die erste viertel Stunde nicht sicher, ob ich das durchhalten kann - wer wie ich viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt, kann das vielleicht nachvollziehen. Doch zu sehen.. pardon.. wahrzunehmen, wie locker unser (lt. eigener Aussage) sehbehinderter Führer damit umzugehen wusste und beruhigt festzustellen, dass man auch in einer stockdunklen Kneipe noch ein Bier bekommen kann, gibt einem doch ein Quäntchen Hoffnung, dass man auch noch ein Leben jenseits des Lichts führen kann.

Wer also die 18 Euronen nicht scheut um eine Ausstellung der besonderen Art zu besuchen, dem kann man DiD nur ans Herz legen. Vorzugsweise empfehle ich dies mit möglichst vielen Bekannten zu tun, so dass man eine Gruppe bilden kann, denn dann fallen gewisse Berührungsängste aus dem Blickwinkel.

Das Leben besteht hauptsächlich darin, daß man mit dem Unvorhergesehenen fertig werden muß.
(John Steinbeck)

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