Freitag, August 23, 2019

Neulich beim Umverteilen...

Normalerweise ist die Reibungsfläche bei Artikeln, die Frau Stokowski in Spiegel online schreibt relativ hoch. Umso größer war mein Erstaunen bei dieser Kolumne, bei der ich ihr (ausnahmsweise) mal zu 100% recht geben muss.

Die Kernaussage ist, dass wir die faktische Diskriminierung über soziale Klassen verstärken, wenn wir z.B. aus Gründen des Klimaschutzes klimaschädliches Verhalten stärker pönalisieren wollen. Die Folge ist, dass sozial schwächere Schichten komplett ausgegrenzt resp. diskriminiert werden, wohingegen sozial Bessergestellte bei dem Verhalten nur einen höheren (finanziellen) Schmerz empfinden.

Spannend ist es auch, die Kommentare zu dem Artikel zu lesen, da diese oft genau den Beißreflex widerspiegeln, den Frau Stokowski gerade eben angesprochen hat - selbst erfüllende Prophezeiung?

Der Tenor geht dabei von "verbieten" bis zum Umverteilen. Was dabei aber leider übersehen wird ist, dass jedes Verbieten und jede Umverteilung prinzipiell eine Anmaßung darstellt, sofern hier nicht ein allgemeines ethisches Prinzip zu Grunde gelegt werden kann. Dass z.B. Sklaverei, also die Betrachtung von anderen menschlichen Individuen als Objekte, nicht in Ordnung ist, darauf kann man sich als Menschheit einigen. Deswegen ist diese i.d.R. auch überall verboten. Ob jetzt aber eine Flug-Fernreise nach Ouagadougou verboten gehört, weil es dem Klima schadet, kann man imho nicht mit Bestimmtheit sagen. Ob z.B. die Umverteilung des einen Euro Steuern pro Liter Kraftstoff ethisch gerechtfertigt ist, entbehrt ebenfalls einer objektiven Begründung.

Das "Drogenverbot" (also das Verbot einer gewissen Auswahl von Drogen, denn Alkohol und Zigaretten waren ja noch nie kaum verboten) ist eines der besten Beispiele, wie man ein finanzielles Riesenrad drehen kann, bei dem zum Schluss quasi kein Output übrig bleibt. Einzig die Drogenmafia freut sich ein Loch in den Bauch, denn nie waren (illegale) Drogen so wertvoll, wie heute.

Und überlegen wir mal das Umweltszenario weiter, sagen wir einfach mal Fleisch wäre Rationiert - wie im Krieg, nur dass es jetzt der Krieg gegen für das Klima wäre. D.h. jedem Bürger stünden 100g Fleisch pro Woche zu, die er (wie auch immer kontrolliert) beziehen kann. Wer wird sich wohl eher um das Verbot drücken können? Jemand der als EU-Kommissarin 25 T€ pro Monat verdient bekommt oder jemand der 1.600 € netto nach Hause bringt? Wer kann sich eher eine Umgehungsstrategie leisten? Und noch viel schlimmer - wie wollte man so ein Szenario überwachen ohne gegen fundamentale Rechte (z.B. Unverletzlichkeit der Wohnung) zu verstoßen?

D.h. die aus meiner Sicht einzige "gerechte" Lösung wäre, die Pönale prozentual an z.B. das Monatseinkommen zu hängen. Wenn jetzt die "Strafe" für eine Flugreise 1% des Monatseinkommens beträgt, so zahlt derjenige mit 1.600 € eben nur 16 € mehr, Frau v.d.Leyen würde aber mit 250 € zur Kasse gebeten. Oder ein SUV-Aufschlag i.h.v. 100% des Monatseinkommens: ein und dasselbe Fahrzeugt (z.B. der Lada Niva Basisversion für ca. 13.000 €) würde für den Geringverdiener dann 14.600 € kosten, für Frau v.d.Leyen eben 38.000 €. Dann wäre wenigstens der Schmerz gerechter verteilt...





Sonntag, August 18, 2019

Neulich beim Wegstecken...

Was haben der
  • Sudan
  • Mauretanien
  • Iran
  • Jemen und
  • Saudi Arabien
gemeinsam? Das gute Wetter? Die besten Sandalen? Die niedrigste Kriminalität?

In diesen fünf Ländern ist die Höchststrafe für sexuelle Handlungen zwischen Männern der Tod. D.h. ein paar gewählte oder qua Geburt in die Regierungspositonen gehievten Menschen bestimmen darüber, ob (i.d.R. zwei) andere Menschen sterben müssen, weil sie sich gern gehabt haben.

Jetzt noch ein kleiner Religionscheck:
  • Sudan - annähernd 100% Muslime
  • Mauretanien - 70% Muslime
  • Iran - > 90% Muslime
  • Jemen - > 90% Muslime
  • Saudi Arabien - > 95% Muslime
Korrelation bedeutet noch nicht zwangsläufig Kausalität und somit ist hiermit noch nicht bewiesen, dass der Islam ursächlich für derart niedrige ethische Standards verantwortlich ist, aber es ist zumindest ein starker Hinweis.

Was gerne übersehen bzw. umgedeutet wird ist die Tatsache, dass sich sowohl die Muslime in diesen Ländern, als auch die in Deutschland auf das gleiche Fundament zurückgreifen. Man kann nicht sagen, dass z.B. in Saudi Arabien eine komplett andere Art von Islam unterwegs ist, sondern lediglich, dass ein und derselbe Islam von Wahhabiten und etwas weniger Radikalen unterschiedlich interpretiert wird. Das ist wie Fahrradfahren, die einen wollen freihändig, die anderen mit Klingel und noch andere mit elektrischer Tretunterstützung - es bleibt aber immer noch Fahrradfahren.

Wir kennen "bessere" ethische Standards, wir haben uns diese über die Jahrhunderte erarbeitet. Es mag sein, dass alte religiöse Texte in der Bronzezeit die davor herrschenden Standards verbessert haben, jedoch können wir das aus der heutigen Sicht gar nicht beurteilen. Im 21. Jhd. darauf zu beharren, dass gleichgeschlechtliche Liebe ein Gräuel ist, weil es ein behaupteter Gott (oder sein Prophet) in ein Pamphlet diktiert hat, ist eine der schlechtesten Begründungen anderen Leuten das Leben zu nehmen...



Samstag, August 10, 2019

Neulich nach der kriminellen Geschichte...

Ok, nach einer gefühlten Ewigkeit mit der einen oder anderen Lesepause (auch längeren) habe ich mich durch Deschners Kriminalgeschichte des Christentums durchgebissen. Leider konnte er das nicht mehr erleben, hatte jedoch vor seinem Tod noch sein Lebenswerk vollendet (hm... wieviele Lebenswerke wurden nach dem Tod beendet?).

Ich erinnere mich noch gut, als ich damals in Hamburg in eine Buchhandlung ging, erst mal in der Abteilung Religion nach Deschner suchte - natürlich nichts fand - und mich dann an eine nette Dame wandte, die ich fragte, ob sie wohl die "Kriminalgeschichte des Christentums" von Deschner hätte. Sie blickte kurz in ihren Computer und fragte dann zurück: "Welcher Band?"
Bis dahin war ich davon ausgegangen, dass die Kirchen wohl Dreck am Stecken hatten, aber dass es sich doch wohl mit einem mehr oder weniger dicken Buch abfackeln ließe. Wie falsch ich mit dieser Einschätzung lag, musste ich feststellen, als ich den ersten Band in den Händen hielt bzw. diesen dann irgendwann mal gelesen hatte.

Minutiös und detektivisch hat Deschner in der Kriminalgeschichte all das zusammengetragen und in den zeitlichen Kontext gestellt, was in irgendeiner Art von Beleg die Zeit überdauert hatte. Und je mehr man eintaucht, je weiter man verfolgt, wie stark doch alles menschelt und wie wenig bis nichts göttliches in der Kirchengeschichte vorhanden ist, desto grauenvoller ist die Vorstellung von alldem, was Deschner nicht aufschreiben konnte. Von all den Misshandlungen, Ausbeutungen und Menschenrechtsverletzungen die nirgends dokumentiert wurden - weil die Leute damals nicht wollten oder konnten.

Auch folge ich Deschners Argumentation, dass wir geschichtliches nur mit den heutigen Maßstäben bewerten dürfen und uns niemals auf das dünne Eis begeben dürfen, Geschichte aus der Geschichte heraus zu relativieren. Sätze wie "früher war das eben so" oder "die konnten doch früher froh sein, dass ihnen nichts schlimmeres passiert ist", bekommen einen fahlen Beigeschmack, wenn man diese exemplarisch auf das deutsche Nazi-Regime bezieht. Wenn wir heute im 21. Jhd. erkannt haben, dass etwas ungerecht, ethisch verwerflich oder ein Verbrechen ist, dann mag der Tatbestand vor ein paar hundert Jahren nicht geahndet worden oder nur ein Vergehen, sogar straffrei (Sklaverei) gewesen sein, der Maßstab muss aber immer die aktuelle Sichtweise sein - schlicht und ergreifend, weil wir keine andere haben. Alles andere wäre Spekulation und Kaffessatzleserei.

Wer sich die Kriminalgeschichte antut sollte wissen, dass jeder Band an die 300-400 Seiten hat, zusätzlich noch etliche Dutzend Seiten Quellenangaben. Deschners Schreibweise ist zwar ein exzellentes Deutsch, dennoch herausfordernd zu lesen, da so viele Zitate einfließen, und somit die volle Aufmerksamkeit des Lesers erfordern. Es ist keine Lektüre, die man fernsehbegleitet konsumieren kann. Auch kann man Lesezeichen empfehlen, um die besonders wertvollen Stellen zu markieren oder sich auch diverse Zitate rauszuschreiben.

Wer eine anspruchsvolle Lektüre nicht scheut, wer die Geschichte aus den Augen eines "Staatsanwalts" betrachten möchte und die Zusammenhänge zwischen Politik und Religion besser verstehen möchte, für den ist die Lektüre klar zu empfehlen - aber man sollte genügend Zeit mitbringen... 😉

8 von 8 möglichen Punkten


Montag, August 05, 2019

Neulich bei der Natürlichkeit...

Ich kann mich nicht an einen Tag in meinem Leben erinnern, an dem ich wirklich Hunger gelitten hätte (außer ich habe freiwillig auf die Nahrungsaufnahme verzichtet 😋). Das ist das Privileg, wenn man nach den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts in der "1. Welt" geboren ist. Es gibt immer noch Menschen auf dem Planeten, die hungern, immer noch zu viele, aber es wird besser.

D.h. in einem Land wie .de quält einen heute nicht mehr die Frage ob und wieviel man isst, sondern immer mehr was man isst. Die Nahrungsaufnahme war immer schon wichtig und gem. einiger Anthropologen könnte die Nahrungszubereitung der Schlüssel zur dominanten Stellung der menschlichen Spezies sein. Nicht der muskelbepackte Krieger hat es gedeichselt, sondern der Smutje, der Chef de Cuisine 😉

Interessanterweise zeichnen sich hier aber immer mehr religiöse Züge ab. Allen voran die Einteilung in schwarz und weiß... pardon... gut und böse. Wir "sündigen", wenn wir uns etwas Süßes gönnen, Fasten, was und wie wir essen (kein Schwein, koscher usw.) war auch schon immer Thema in den etablierten Weltanschauungen - auch wenn sich fast alles davon heute als Anachronismus darstellt - es ist "böse" ein Schwein zu essen, aber "gut" eine geschächtete Kuh zu verzehren... naja... wer's glaubt.

So ist im Supermarkt natürlich auch alles erst mal "gut" was irgendwie "bio", "natürlich" oder "vegan" heißt. Wir blenden dabei leider aus, dass nicht alles, was aus der Natur kommt per se "gut" ist. Eher das Gegenteil ist der Fall. 90% unseres Planeten (= Natur) ist für uns als Habitat nicht geeignet. Von den Millionen unterschiedlicher Spezies (Tiere sowie Pflanzen) sind nur ein geringer Teil für uns als Nahrung geeignet und davon schmeckt uns auch nur ein noch kleinerer Teil. Irgendwelche lustigen Mahlzeiten aus Algen haben sich (zum Glück) noch nicht großflächig durchgesetzt.

Würden wir heute nur das auf den Tisch bekommen, was die Natur "natürlich" produziert, dann hätten wahrscheinlich die wenigsten Freude daran. So gut wie alle Nahrungsmittel die wir kennen, egal ob pflanzlichen oder tierischen Ursprungs wurden vom Menschen über die Jahrtausende "genetisch" verändert - mit den Mitteln, die unseren Vorfahren zur Verfügung standen, was fast ausschließlich Züchtung bzw. Kreuzung war. D.h. wir essen (auch wenn es "bio" heißt) i.d.R. ein kulturelles, also menschgemachtes Produkt.

Insofern muss man ehrlicherweise anerkennen, dass ein aus dem Wolf durch Züchtung hervorgegangener Rehpinscher genauso natürlich bzw. unnatürlich ist, wie ein durch Genmanipulation erzeugter Rehpinscher. In der "Natur" kämen beide nicht vor - aber vielleicht hat die Natur uns genau deshalb "hervorgebracht", weil sie Bock auf Rehpinscher hatte? Was wir auch gerne ausblenden, die allermeisten Nutztiere und -pflanzen sind ohne die Menschliche Pflege in der Natur kaum oder nicht lebensfähig bzw. würden von ihren nicht gezüchteten/genmanipulierten Artgenossen überrannt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein genmanipulierter Rehpinscher die Weltherrschaft an sich reiße, geht gegen null.

Somit sollten wir uns von irgendwelchen esoterischen oder metaphysischen Beurteilungen der Naturveränderung lösen (denn alles auf der Erde, auch die unbelebte Materie, "beeinflusst" die Natur/das Leben in irgendeiner Art und Weise) und zunächst möglichst objektiv und naturalistisch das Geplante durchdenken - welchen Nutzen bringt es, welche Risiken birgt es. Leben ist Veränderung, sich dagegen zu stellen, bedeutet in einem Orkan gegen den Wind zu pusten.

Donnerstag, August 01, 2019

Neulich beim Leipziger Allerlei...

Ok, ich gebe es zu, ich habe es satt Dinge wie diese hier zu lesen. Wieder mal geht es um Kinder, wieder mal geht es ums Essen und - wie könnte es anders sein - man hat mal wieder Schwein gehabt bzw. will keines mehr.

Ein Artikel wie dieser hier schlägt dann noch die Brücke, dass der Verzicht auf (Schweine)Fleisch ja auch positive Effekte für das Klima hätte und dass das Schwein ja ohnehin "die Zigarette unter den Grundnahrungsmitteln" wäre.

Übersehen wird dabei allerdings, dass die Initiierung des Verbots nicht daher kommt, dass man das Klima schützen oder die Kids vor einem Saumagen (anscheinend ja das Pendant zur Raucherlunge, wenn das Schwein schon die Zigarette ist...) bewahren, sondern dass hier unterschwellig bronzezeitliche Nahrungsvorschriften "geachtet" werden.

Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser - all diese Einrichtungen stehen allen Menschen in Deutschland zur Verfügung. In Deutschland gibt es kein Schweinefleischverbot, wie in Saudi Arabien. Auch kein Rindfleischverbot, wie für die meisten Kasten in Indien. Dafür steht aber auch kein Hund auf der Speisekarte, wie z.B. in Südkorea. Wenn ich in Papua-Neuguinea in die Schule gehe, kann ich dort nicht Nürnberger Rostbratwürstchen erwarten, nur weil ich diese gerne esse. Auf der Welt gibt es alle möglichen Befindlichkeiten die Nahrung betreffend, wie man z.B. hier nachlesen kann...

Wie wäre es, wenn ich z.B. 5 Kinder finde, die keinen Broccoli mögen. Könnte ich dann ein Broccoli Verbot durchsetzen? Wenn 10 Kinder Verdauungsprobleme bei Vollkornbrot bekommen, kommt dann die Weißbrotpflicht? Nussallergie? Glutenfrei? Laktoseintoleranz?

Spannend ist auch zu sehen, wenn steinalte Ernährungsvorschriften mit Erkenntnissen aus der modernen Wissenschaft begründet werden. Z.B. gab es auch schon in der Antike die Fleischbeschau, wenn auch noch keine Trichinen bekannt waren - aber man wusste, dass Fleisch belastet sein kann. Heute werden dann diese "Vorschriften" so gedeutet, als hätten unsere Vorfahren schon über besseres Wissen verfügt als wir heute.

Wenn man sich in einer Schulkantine auf irgendetwas einigt, dann soll das so sein. Nur bitte auf der Grundlage von Argumenten, die für alle nachvollziehbar sind. Bitte dann klar kommunizieren, dass man deswegen kein Schweinefleisch mehr anbietet, um der Klimakatastrophe entgegenzuwirken und bitte dann auch alle anderen Fleischsorten verbannen (und ggf. auch die Gemüsesorten, die eine schlechte CO2 Bilanz haben). Aber nicht weil man einen ein paar Jahrhunderte alten Text ausgegraben hat oder weil muslimische (oder jüdische) Schüler eher selten Schwein haben...