Dienstag, Oktober 17, 2006

Neulich in der Gosse...

Unter Verloren, verarmt, verdrängt titelt Spiegel-Online um (dezent vor dem Veröffentlichungstermin, versteht sich) um den neuen Armutsreport der Friedrich-Ebert-Stiftung darzustellen. Aber ist die Sprache nicht toll, man spricht jetzt latürnich nicht mehr von der Unterschicht, sondern vom "abgehängtem Prekariat", wobei - und das erschließt sich nicht auf den ersten Blick - Prekariat von prekär (unsicher; durch Bitten erlangt; widerruflich, schwierig) kommt. Meinen die Eliten in Berlin jetzt damit, dass die unsicheren Zukunftsaussichten von 6,5 Mio. Prekariaten (oder Prekariern?) solange durch Bitten um eine miese Regierung, die sie unwiderruflich in eine schwierige Lage gebracht hat, erlangt wurden?

Naja.. wie auch immer. Die tröstenden Worte, die Martin Werding, Leiter der Abteilung Sozialpolitk und Arbeitsmarkt beim Ifo-Institut Berlin, für uns bereit hält muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:

All solche Berechnungen sind natürlich relativ"[...] "Was wir als 'arm' ansehen hat im Vergleich zu anderen Ländern sogar etwas Zynisches."

Wie, Herr Werding, klingen denn ihre Worte in den Ohren der vielen Hartz IV Empfänger, wenn nicht zynisch?! Wie soll denn jemand mit 424 €uronen im Schnitt jeden Monat über die Runden kommen und sich vom Auto-mit-Gasantrieb-Exkanzler dann auch noch sagen lassen, dass wir bzw. ihr Deutschen zu wenig konsumiert?

Vor allem dieser Vergleich mit anderen Ländern geht mir schon so was auf die Eier die Nerven. Wie einer von Ivans Hunden, fangen immer dann diese Leute, die das 20-fache von den Prekerianern verdienen, an, .de mit irgendeiner Quagadougou-Diktatur zu vergleichen, sobald einer etwas über Armut oder Lohnarbeit sagt. Das BSP/pro Kopf in Burkina Faso z.B. beträgt 400 USD (also bissi mehr als 1 Dollar pro Tag), d.h. jemand auf H4 wäre da unten König... hätte aber auch keine medizinische Versorgung, keine vernünftige Straße vorm Haus, müsste 15 km zum nächsten Supermarkt gehen (wenn es überhaupt einen gibt), wird bei nächster Gelegenheit vom neidgeplagten Nachbarn übern Haufen geschossen, ohne dass es irgendjemanden interessiert und von der BILD-Zeitung dann noch als Florida-Rolf Ouagadougou-Rolf fertiggemacht werden.

Hallo? Wir sind in .de mit de-Mieten, de-Preisen, de-Sozialverhalten! Der Vergleich der Einkommen mit anderen Ländern ist genauso hanebüchen, wie der von Arbeitslöhnen (was unsere wirtschaftlichen Eliten ja mit Vorliebe betreiben um die letzten Managementfehler schönzurechnen), solange man nicht vorher eine umfassende Nivellierung vorgenommen hat.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander, auch das kann man aus dem Bericht rauslesen. Während sich 10% der Haushalte fast 50% des Vermögens teilen, müssen sich der Rest (also 90%) die andere Hälfte teilen - davon noch 13,5% unter der Armutsgrenze (und das sind nicht nur Schlafsack-Frischluftfanatiker in deutschen Großstädten!).

Wie es in der Zukunft aussehen wird, macht mal wieder Amerika vor (wie man and der Grafik sehen und hier nachlesen kann) - mit einem Wort: bitterarm

Keine Kommentare: