Je geringer der geistliche Einfluß der Kirchen wird, desto hartnäckiger suchen sie ihre politischen un sozialen Positionen auszubauen. Je weniger Gläubige es gibt, desto herrschsüchtiger verlangen Staat und Gesellschaft den Lippendienst der Bürger.
Wenn die Bibel vielen heutigen Menschen suspekt geworden ist, so doch nicht zuletzt, weil die Seelenhirten sie schonungslos gequetscht und geschüttelt haben, um für jeden privaten Bedarf ein Pflästerchen und ein Trostbonbon, um für jeden noch so politischen Bedarf die passende Auslegung zu finden.
Nun lehrt eine fast zweitausendjährige Erfahrung, daß die christlichen Herrscher Verträge gebrochen, Gedanken geknechtet, die menschliche Gewissensfreiheit vergewaltigt, und das sie getötet und gefoltert und versklavt haben.
Doch was ist von seinem Erbe übrig? Spiegel-online glänzt mal wieder mit Hofberichterstattung vom letzten absolutistischen Zwergstaat (denn wo die Sonne der Erkenntnis tief scheint, wirft auch ein Zwerg lange Schatten) in Europa, vom Vatikan. Es wurde eine neue Kolumne geschaffen, die zwar ketzerisch "UUPS! - ET ORBI" heißt, in Wirklichkeit aber nichts als weichgespülte Arschkriecherei ist. Selbst das menschenverachtende Gloria-Zitat wird kleingeredet, indem man dem Reporter niedere Beweggründe unterschiebt:
So schnappte er eifrig nach Satzbrocken, die vom Tische fielen, trank der Fürstin Bier und notierte dabei Witzworte, Parodien, Spinnereien, eben alles, was im Diskursraum "Chinese-um-die-Ecke" so anfällt.
Denn egal wie "spaßig" es die merkbefreite Fürstin meinte, der Reinkarnationswunsch der Inquisition ist für jemanden, der nicht in der katholischen Kirche ist, genauso lustig, wie für Juden der Aufruf zum Bau neuer Gaskammern.
Durch den regierungsfreundlichen Kurs in Verbindung mit der Anbiederung an eine Möchtegern-Aristokratie und inhumane Kleresei verkommt der Spiegel zu etwas, was Augstein sicher nicht wollte:
einem weichgespülten, nassen Lappen
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