Sonntag, September 16, 2007

Das Wort zum Sonntag #30

Thema heute:
Warum ist der Schutzengel ein falsches Konzept?

Lt. wikipedia vertrauen ca. zwei Drittel aller Deutschen auf die Intervention von Schutzengeln. Mit viel exegetischer Mühe soll man dieses Konzept auch aus Matthäus 18,10 herauslesen können:
Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.
Doch bei Leuten, die sich von einem Schutzengel besessen wähnen, bestehen eigentlich nur drei Möglichkeiten:
  1. es passiert nichts
  2. man entgeht knapp etwas Schlimmem
  3. es passiert etwas Schlimmes
Fall a) können wir mal außen vor lassen, denn hier passiert ja nichts, zumindest nichts besonderes, so dass der Schutzengel nicht aktiviert werden muss.

Fall b) ist schon interessanter. Hier wird natürlich in steter Regelmäßigkeit darauf verwiesen, dass allein auf Grund des Schutzengels die Katastrophe verhindert wurde. Also der Frontalzusammenstoß vermieden, der Wasserrohrbruch noch ohne nennenswerte Schäden entdeckt, das Gasleck gefunden oder die Pfanne noch schnell vom Herd genommen, bevor selbiges Feuer fing. Die Frage, die man sich aber in dem Fall stellen sollte lautet: Erstens, warum kam es zu dieser brenzligen Situation und zweitens, welche Aktion hat es wirklich verhindert. Bei genauer Analyse wird man immer eine natürliche Erklärung finden, warum die Katastrophe nicht eingetreten ist.

Die intellektuelle Banktrotterklärung ist allerdings Fall c). Denn hier beginnen (wie beim Beten auch) die Rationalisierungsstrategien. Ist etwas Schlimmes passiert, so ist es eben nicht der Fehler des Schutzengels sondern eine der folgenden Erklärungen wird ins Spiel gebracht:
  • Ich war böse und das ist jetzt die Strafe
  • Der Schutzengel hat noch das Allerschlimmste verhindert (also z.B. Personenschaden beim Verkehrsunfall)
  • Es war mein Fehler, da konnte der Schutzengel auch nichts mehr daran ändern
  • etc.etc.
Egal was auch passiert, das Konzept des Schutzengels wird, sofern man dieses "angenommen" hat nicht mehr kritisch hinterfragt. Das Eingreifen des Schutzengels lässt sich von einer statistischen Zufallsverteilung nicht unterscheiden, d.h. es gibt bislang nicht den geringsten Hinweis darauf, dass ein solches Wesen überhaupt existiert, geschweige denn, dass es in brenzligen Situationen eingreift (so es doch in der übrigen Zeit unsichtbar und transzendent sein soll). Weiters ist auch nicht geklärt, wie dieses "Eingreifen" von statten gehen soll. Materialisiert sich der Schutzengel, schickt er Energiestrahlen oder sitzt er vielleicht nur als Einbildung, als Wahnvorstellung im Kopf des Betroffenen und löst dort irgendwelche Glücksgefühle aus?

Eine weitere Dummheit des Schutzengelglaubens ist, dass dieser unter wissenschaftlicher Beobachtung nicht mehr funktioniert. Stellen wir uns einmal einen einfachen Versuch vor: ein Rouletttisch, bei dem der Probant sein gesamtes Hab und Gut verspielt, wenn die Zahl nicht kommt, auf die er gesetzt hat. Ein hinreichend trainierter Schutzengel sollte eine solche okonomische Katastrophe doch verhindern können, oder? Und tatsächlich, er tut dies auch aber mit der Wahrscheinlichkeit von 1:37, die dem Rouletttisch zu eigen ist. Um auch jeden Zweifel auszuräumen, nehme man 37 Schutzengelgläubige und lasse diese jeweils auf eine andere Zahl setzen. Welchen Ausgang dieses Experiments erwartet jemand mit gesundem Menschenverstand?
Einen Wahn verlieren macht weiser als eine Wahrheit finden.
(Ludwig Börne)

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