In Memoriam
Rigoberto Alpizar.
Heute vor einem Jahr haben ein paar
schießwütige Air-Marshals in Miami den psychisch kranken Rigoberto Alpizar auf dem Miami International Airport über den Haufen geschossen. Trotzdem ich versucht habe, dieses Thema im Auge zu behalten, ist mir doch der
Bericht des Staatsanwalts in Miami (pdf) entgangen, der am 23. Mai 2006 erschienen ist.
Wen wundert es, da schon dieser unrühmliche Vorfall innerhalb von 3 Tagen aus den Medien verschwunden war, dass auch der Untersuchungsbericht (bei dem - ich kann es ruhig vorwegnehmen, da schon am 08.12.2005 niemand etwas anderes vermutet hätte - die Hinrichtungsaktion der Air-Marshals "leagally justified", also gesetzlich legitimiert war) keine Wellen schlagen würde.
Der 46-seitige Bericht an sich ergibt ein seltsames Bild. 39 Leute sind verhört worden und es gibt nur knapp eine halbe Seite an "Fakten". Diese sind so dürftig, dass sie sogar in meinen Blog passen und lauten wie folgt:
1. Alpizar hat seine Medizin nicht genommen, zeigte instabiles und bizarres Verhalten und die Marshals hatten von seiner Krankheit keine Ahnung.
2. Alpizar hat das Wort "bomb" mindestens einmal verwendet und die Marshals haben verstanden er hätte eine solche, folgten ihm in den Jetway, also die Passarelle
1, währen er immer noch seinen Rucksack auf seinem Bauch trug.
Bis hierhin konnte man die Aussagen der 39 Zeugen ja noch irgendwie verwenden, wobei es dürftig genug ist, dass noch nicht mal der genaue Wortlaut Alpizars Bombendrohung wiedergegeben werden konnte - vielleicht hat er nur gesagt: "mein Gepäck ist nicht verplombt". Aber hanebüchen sind die Fakten die lediglich auf der Aussage der Air-Marshals basieren können (denn sonst hat ihn ja keiner erschossen) - hier im O-Ton (Hervorhebung von mir):
F.A.M.s2 1 and 2 drew their firearms. F.A.M. 2 identified himself as law enforcement and gave Mr. Alpizar commands in both English and Spanish to "stop" and to "get down," which Mr. Alpizar ignored. Mr. Alpizar did not attempt to exit into the concourse but instead turned around and headed back toward the plane still clutching his backpack to his chest. Mr. Alpizar repeatedly stated that he had a bomb and that he was not afraid to use it or that he would detonate it. Additionally, Mr. Alpizar challenged F.A.M.s 1 and 2 to shoot him. All the while, Mr. Alpizar ignored commands to cease and drop to the ground. Mr. Alpizar’s hands were on his backpack as he approached. F.A.M. 2 discharged his weapon but Mr. Alpizar did not stop approaching the plane. As a consequence, F.A.M.s 1 and 2 continued to discharge their weapons. Mr. Alpizar fell to the jetway floor and died.
Wenn man sich den Tathergang so durchliest, scheint es als hätten die Marshals eine Viertelstunde mit Alpizar gequatscht. Ein (wie oben erwähnt) verwirrter Mann soll so klar im Kopf sein, dass er den Marshals mehrmals eindringlich versichert er habe eine Bombe und er würde sie benutzen und sie sollten ihn doch erschießen wenn sie sich trauten? Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass es so gewesen sein könnte, aber an sich ist es eher unglaubwürdig.
Noch dazu zeigen die Eintrittswunden der Kugeln (es wurden übrigens 9 Stück verschossen von denen 6 trafen und nur 5 gut), dass sie alle auf der Vorderseite des Oberkörpers platziert wurden. Welcher Air-Marshal, der der Meinung ist und gleichzeitig noch ganz bei Trost, der vermeintliche Flugzeugbomber trägt eine Bombe im Rucksack vor seinem Oberkörper, würde genau da hin zielen? Wieso schießen diese bewaffneten Flugbegleiter nicht in den Kopf? Oder in die Beine?
Selbst nach dem Untersuchungsbericht (dessen Veröffentlichung ich im Übrigen angezweifelt habe - also eigentlich ein gutes Zeichen, dass er erschienen ist) bleibt bei mir das "Gschmäckle", dass hier maßlos überreagiert wurde und bei der Aufklärung nicht nach Vernunft sondern nach Opportunität vorgegangen wurde. Legitim erschossene vermeintliche Flugzeugbomber passen halt besser in das Bild eines friedenbringenden Amerikas, als schießwütige Flugzeugcowboys...
Die Wahrheit werden wohl nur die beiden Marshals wissen - und sie werden mit ihr leben müssen.
requiescat in pace
1: eine Hommage an meine schweizer Kollegen
2: Federal Air Marshal