Donnerstag, Juni 28, 2007

Neulich in Abmahnwahnistan...

99% der Anwälte geben den Anderen einen schlechten Ruf.
Wie die Überschrift schon vermuten lässt, geht es um deutsches Recht, genauer um die Praxis der "Abmahnung". Die Abmahnung an sich ist kein sooo schlechtes Rechtskonstrukt, da es die Möglichkeit bietet außergerichtlich und v.a. schnell auf eine bestimmte Situation zu reagieren. Eingesetzt wurde und wird dies v.a. im Wettbewerbsrecht, wo es einer Firma ermöglicht eine andere Firma abzumahnen, das wettbewerbswidrige Verhalten zu unterlassen. Sind sich beide Firmen einig, dass ein Rechtsverstoß vorlag, so akzeptiert der Abgemahnte die Abmahnung und verpflichtet sich für die Auslagen des Rechtsanwalts aufzukommen sowie im Wiederholungsfall eine Strafe zu zahlen. Sind sich die beiden Firmen uneinig, so landet man unabgemahnt vor Gericht (was die üblichen Unsicherheiten und hohen Kosten nach sich zieht).

Bereits in den 80er Jahren durfte ich selbst miterleben, wie sich solche Abmahnkartelle bildeten. Zwar gab es noch kein Internet, dafür hatte man es aber auf die Immobilienmakler abgesehen, die in Kleinanzeigen ihre Vermittlungsobjekte feilboten. So gab es in gewerblichen Anzeigen Dinge, die eben nicht erlaubt waren (das jetzt noch aufzuführen, würde aber den Rahmen sprengen). Jedoch engagierten findige Anwälte Rentner, die nichts anderes taten, als Immobilieninserate nach bestimmten Kriterien zu durchforsten und diese den Rechtsanwälten zu melden. In Verbindung mit einem anderen Immobilienmakler, der u.U. hunderte von Kilometern entfernt war, also in der damaligen Zeit nicht wirklich einen Wettbewerber darstellte, schnappte diese Falle dann zu:
  • Rentner sucht akribisch nach "falschen" Anzeigen und meldet diese dem Anwalt
  • Anwalt spricht sich mit Makler ab, der sich im Wettbewerb behindert sieht
  • Anwalt schickt die Abmahnung raus
Mit Standardbriefen wurde dann abgemahnt, in der Größenordnung von 500-1.500 DM kassiert und eine Pöenale im Wiederholungsfall von 5.000-10.000 DM verlangt.

Rechtsanwälte die mit der Zeit gehen, haben diese Masche 1:1 auf das Internet übertragen, wie man z.B. in diesem Telepolis Artikel lesen kann (zwar etwas älter, aber viel geändert hat sich nicht). Doch halt, etwas hat sich geändert, die Streitwerte sind in astronomische Höhen entschwunden.

So wurde, wie hier nachzulesen ist, ein Forenbetreiber zweimal abgemahnt. Das erste mal, weil ein Forenbenutzer einen Markennamen als Pseudonym verwendete (hier erging ein Versäumnisurteil, was zumindest den einen Fall für den Forenbetreiber rettete, aber keine Rechtssicherheit schuf). Beim zweiten mal war der Grund der Abmahnung scheinbar eine Kritik an einer Firma, jedoch darf man hier gespannt sein, wie die Sache weitergeht.

Das ethisch Verwerfliche an der ganzen Abmahnerei ist, dass zum einen ein Gefälle von Wissen und Finanzkraft zwischen den Parteien ausgenutzt wird (i.d.R. mahnt der "Stärkere" den "Schwächeren" ab - wie man z.B. hier bei media-bloed.de nachlesen kann) und dass diese Schreiben oftmals den Verdacht aufkommen lassen, dass das Interesse des Anwalts an der Vergütung des ersten Schreibens größer ist, als das Interesse einen Rechtsmissstand zu beheben.

Um diesen finanziellen Aspekt aus dem Rennen zu nehmen und um eine gewisse Chancengleichheit herzustellen ist es meiner Meinung nach angebracht die erste Abmahnung für Rechtssubjekte mit wenig oder gar keinem Einkommen kostenlos zu gestalten und dem Abgemahnten eine vernünftige Frist zur Behebung des Missstands zu zubilligen. Weiters müsste der Schaden besser quantifiziert werden. Eine π*Daumen-Schätzung von einem Anwaltsbüro ist da meines Erachtens zu wenig, noch dazu, wenn sich an dieser Schätzung das Honorar orientiert.

Geld ist nichts. Aber viel Geld, das ist etwas anderes.
(George Bernard Shaw)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dem kann ich nur beipflichten! Es ist eine Frechheit, wie sich die Anwälte so ihre Fixkosten auf dem
Rücken der "Neugründer" etc. reinholen. Dein Vorschlag würde wenigstens eine kleine Verbesserung darstellen. Ich würde vorschlagen, dass der Anwalt gar nichts bekommt, sondern das Abmahn-Honorar an eine gemeinnützige Institution weiterleiten müßte.
Grüße aus Österreich!

Po8 hat gesagt…

Hehe.. solange die "gemeinnützige Institution" keine kirchliche Einrichtung ist... ;-)