Montag, Juni 16, 2008

Das Wort zum Sonntag #47

Thema heute:
Warum wissen so viele Gläubige nicht was sie glauben (müssen)?

Angeregt durch diese "tolle" Geschichte, bei der einem querschnittsgelähmten Katholiken die kirchliche Trauung auf Grund von dauerhafter Impotenz verweigert wurde, lautet das heutige Thema, ob oder warum so wenige Gläubige ihre Vereinsstatuten lesen. Wer sich nämlich ein bisschen im katholischen Kirchenrecht auskennt, würde diesem behinderten Italiener - genau wie kath.net - folgende Auskunft geben:
Impotenz ist eine Form von Ehehindernis und trifft dann zu, wenn einer der beiden Gatten zur Zeit der Heirat unfähig zum Beischlaf ist. Das Hindernis liegt nur vor, wenn die Unfähigkeit dauerhaft ist und ausnahmslos besteht. Im Gegensatz dazu ist Unfruchtbarkeit kein Ehehindernis. Die zwölf Ehehindernisse werde im Kirchenrecht in den cc. 1083 - 1094 aufgezählt und sind: Alter, Impotenz, Eheband, Religionsverschiedenheit, Weihen, Gelübde, Entführung, Gattenmord, Blutsverwandtschaft, Schwägerschaft, öffentliche Ehrbarkeit und gesetzliche Verwandtschaft. Von den Ehehindernissen göttlichen Rechts (Impotenz, Eheband, Gelübde, Blutsverwandtschaft in der geraden Linie) kann die Kirche auch nicht dispensieren.
Doch was ist dieses Kirchenrecht überhaupt? Nun, es genügt offenbar nicht, dass ein arbeitsloser Zimmermann vor 2000 Jahren in Palestina herumrannte und "ich bringe euch Liiiebe" rief (was im übrigen auch so nicht ganz stimmt) um einen Staat zu machen eine Kirche zu gründen.

Dazu bedarf es dann einer ganz profanen Gesetzessammlung, die allenthalben durch religiöses Geschwurbel angereichert ist. Die Katholiken (also die Römisch-Katholischen, damit nicht einer auf die Idee kommt ich meine einer der vielen katholischen Kleinstsekten) haben das in ihrer langen Geschichte voll durchexerziert und den sog. CIC (= codex iuris canonici) herausgebracht. Die kleinen Babys bei der Taufe können nicht abschätzen, dass sie mit der Glaubensgemeinschaft der Catholica sich auch automatisch diesem Kirchenrecht unterwerfen. Glücklicherweise bzw. der Aufklärung sei dank, gilt das Kirchenrecht nicht vor dem Staatsrecht - was aber die meiste Zeit nicht so war.

Das tolle ist, dass man anhand des CIC schon vorhersagen kann, was von diesen ganzen "basisdemokratischen" Bewegungen innerhalb der katholischen Kirche zu halten ist. Diese schießen wie Pilze aus dem Boden (z.B. Wir sind Kirche) und die Gläubigen sind doch wirklich der Ansicht etwas bewegen zu können. Dabei genügt schon ein Blick ins Kirchenrecht um sie eines Besseren zu belehren:
Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewußtsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen.
(CIC can. 212 §1)
Somit haben die Laien (die übrigens den allergrößten Teil der Katholiken ausmachen, egal wie christlich bewandert sie auch sind) nur zu folgen, aber nicht vorzuschlagen oder zu bestimmen. Letztendlich entscheidet immer der höhere Kleriker, d.h. der Pfarrer "überstimmt" alle Laien seiner Gemeinde, der Bischof den Pfarrer, der Kardinal den Bischof und der Papst alle zusammen.

Weiters haben eben diese Prälaten auch den Katechismus (hier sei wieder speziell der katholische genannt, doch Ähnliches existiert in vielen Religionen) zusammengebastelt, der ebenso Lebensvorschriften für die Gläubigen bereithält. So liest man z.B. folgenden Passus:
494. Welche Aufgabe haben die staatlichen Behörden in Bezug auf die Keuschheit?

Da die staatlichen Behörden die Achtung der Menschenwürde zu fördern haben, sollen sie beitragen, ein für die Keuschheit günstiges Klima zu schaffen. Durch angemessene Gesetze müssen sie auch die Ausbreitung einiger der oben genannten schweren Vergehen gegen die Keuschheit verhindern, um vor allem die Minderjährigen und die Schwächsten zu schützen.

D.h. die Catholica schreibt ihren Gläubigen (so sie sich staatlicherseits betätigen) vor, dass die staatlichen Behörden "ein für die Keuschheit günstiges Klima zu schaffen" hätten, und faselt etwas von "schweren Vergehen" gegen die Keuschheit. Jetzt fragt man sich natürlich, was denn das für schwere Vergehen wären, doch auch hier hilft der Katechismus weiter:
492. Welche Hauptsünden gegen die Keuschheit gibt es?

Sünden, die entsprechend der jeweiligen Natur des Gegenstandes schwer gegen die Keuschheit verstoßen, sind: Ehebruch, Selbstbefriedigung, Unzucht, Pornographie,
Prostitution, Vergewaltigung, homosexuelle Handlungen. Diese Sünden sind Ausdruck des Lasters der Unkeuschheit. Wenn sie an Minderjährigen begangen werden, wiegen solche Handlungen noch schwerer, weil sie gegen deren physische und moralische Unversehrtheit verstoßen.
Wie man klar ersehen kann, stellt sich somit der Katechismus gegen das deutsche Grundgesetz, nach dem alle gleich seien, unbesehen ihrer sexuellen Orientierung. Auch soll der Staat gegen Autoerotik, ladläufig auch Masturbation genannt, vorgehen, sowie gegen Pornographie, das horizontale Gewerbe (das es übrigens schon länger als die Catholica gibt und z.B. Papst Sixtus IV. ließ nicht nur die Sixtinische Kapelle, sondern auch ein Bordell in Rom errichten, das einen Teil seiner Einnahmen an ihn abzuführen hatte) und einvernehmlicher Sex zwischen Erwachsenen, die nicht, oder mit jemand anderem verheiratet sind. Tolle Aussichten, wenn die Pfaffen in .de ans Ruder kommen.

In der heutigen Zeit verfährt man kirchlicherseits mit einer Doppelstrategie. Zum einen tritt man die rigiden Gesetze nicht in der Öffentlichkeit breit (somit war der katholische Rollstuhlfahrer ein echter Glücksfall für die Aufklärung) und zum anderen lässt man die Gläubigen in ihrem Treiben (sowohl sexueller, als auch kirchlich-demokratischer Natur) gewähren und verschafft sich somit ein recht liberales Ansehen.

Die Gläubigen wiederum interessieren sich i.d.R. lediglich für die kirchlichen Feste, also für Taufe, Firmung, Hochzeit und Begräbnis, jedoch in der Masse immer weniger und weniger für die Glaubensinhalte, wie man z.B. am Gottesdienstbesuch ablesen kann. Das hat in etwa die Qualität, dass man in einem Golfclub ist, ohne die Golfregeln zu kennen oder, bis auf das Weihnachtstunier, je dort zu spielen. Was gläubige Katholiken aber wirklich alles zu glauben haben, hatte ich ja bereits in meinem (unvollständigen) Katholikentest aufgeführt... nur haben diesen wahrscheinlich zu wenige gelesen.
Ärgert dich dein Auge, so reiß es aus, ärgert dich deine Hand, so hau sie ab, ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab, und ärgert dich deine Vernunft, so werde katholisch.
(Heinrich Heine)

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