Dienstag, Oktober 23, 2007

Die po8ische Rezension #7

Oper für Dummies - David Pogue, Scott Speck
(ISBN: 978-3-527-70099-8)

Nunja, nachdem ich morgen das Vergnügen habe mir meine Lieblingsoper anzusehen, was ist da naheliegender, als einen Opernführer zu rezensieren. Der Opernführer für Dummies ist - wie jedes Buch aus der Dummy-Reihe - erfreulich einfach aufgemacht und nimmt so die erste Hürde auch den Nicht-Opernfreund bzw. -kenner zum Lesen zu animieren. Durch geschicktes Verbinden von Geschichtlichem und Wissenswertem rund um das Thema Oper mit den in 14 Teile gegliederten Hauptthemen (von "Vorhang auf!" bis "Zehn Möglichkeiten für 'Oper lebenslänglich'"), hat man nach ca. 300 Seiten einen so großen Überblick über das klassische Theaterstück mit Gesang, dass man - je nach eigenem Gedächtnis - in (fast) jeder Opernrunde mitreden kann. Es fallen sowohl die wichtigsten Namen der Operngeschichte als auch die "50 Überflieger" als Inhaltsangabe sowie das beste vom Rest, was in dem Fall die übrigen Opern meint, die die Autoren nicht zu den 50 besten zählen.


Leseprobe:
Hoffmanns Erzählungen

Originaltitel: Les Contes d'Hoffmann. Musik von: Jacques Offenbach. Libretto (französisch) von: Jules Barbier und Michael Carré, nach Geschichten von E.T.A. Hoffmann. Uraufgeführt: Paris, 1881.

Auf was sie sich freuen dürfen: Drei bizarre, aufeinanderfolgende Geschichten über bittere Enttäuschung, plus ein Vorspiel und ein Nachspiel.

Hintergründiges: Wie Sie in Kapitel 6 nachlesen können, war Offenbach der Satirekönig. Er schrieb lustige Operetten, in denen er sich über bedeutende französische Institutionen lustig machte. Bevor er starb, wollte Offenbach aber wenigstens eine ernste Oper geschrieben haben. Dies gelang ihm schließlich mit Hoffmanns Erzählungen. Leider hat er sein Werk nie aufgeführt gesehen, da er während der Proben starb. Jemand anderes übernahm die Proben, veränderte einige Stellen, ließ einen Akt weg, und hat im Allgemeinen ziemlich viel Durcheinander angerichtet. Offenbachs Originalwerk wird inzwischen häufig wieder aufgeführt. Es kann aber auch sein, dass sie die eine oder andere Variante sehen.

Vorspiel: Der böse Lindorf (Bass) und ein Diener kommen in eine Bar. Der Diener hat einen Brief von einer Sängerin namens Stella, die nebenan in der Oper auftritt. Lindorf kauft ihm den Brief für 40 Taler ab (40 Taler waren damals natürlich viel mehr Geld als heute...). In dem Brief lädt Stella den Dichter Hoffmann nach der Aufführung auf ihr Zimmer ein. Lindorf grinst hämisch.

Eine Schar Studenten singt "Drig! drig! drig! à nous ta bière, a nous ton vin" ("Drig! drig! drig! Wir wollen Bier, wir wollen Wein"). Sie schauen zwischen zwei Akten von Don Giovanni mal eben in dre Bar nebenan rein. Hoffmann (Tenor) tritt mit seinem Freund Niklaus auf (Mezzosopran, die Figur ist aber ein junger Mann). Hoffmann lässt durchblicken, dass er es leid ist, seine alte Flamme Stella auf der Bühne zu sehen.

Als die Studenten ihn bitten, etwas zu singen, stimmt Hoffmann das Lied von Kleinzack an, einem buckligen Narren. Nachdem Hoffmann noch mehr getrunken hat, gibt er dem Drängen der Studenten nach, ihnen etwas von seinen letzten drei Verflossenen zu erhählen (das geht auch genau auf: je eine pro Akt). Den STudenten ist es egal, dass sie deswegen den Rest von Don Giovanni verpassen. (In jedem Akt taucht auch der böse Lindorf in unterschiedlichen Rollen auf, er ist aber immer böse, deswegen nennen wir ihn der Einfachheit halber immer Lindorf.)

1. Akt (Olympia): Der Physiker Spalanzi (Tenor) hat eine lebensgroße, aufziehbare und wirklich niedliche Puppe geabut. Sie heißt Olympia. Unser Freund Hoffmann verliebt sich in sie, trotz Niklaus Warnungen. Der fiese Lindorf, hier ein Verkäufer von Wunderbrillen, verkauft Hoffmann eine Röntgenbrille, deren Gläser alle Dinge in verklärender Schönheit erscheinen lassen. So wirdOlympia für ihn noch anziehender. Spalanzi hat er ein paar Augen für Olympia verkauft. Spalanzi bezahlt den ganzen Schnickschnack mit einem Scheck.

Als die Partygäste erscheinen, singt die Puppe Olympia ziemlich mechanisch die berühmte Arie "Les oiseaux dans la charmille" ("Phöbus stolz im Sonnenwagen"). In Liebe zu ihr entbrannt, singt Hoffmann für Olympia, er umwirbt sie. Als sie zusammen tanzen, wird sie plötzlich immer schneller, wie verrückt rennt sie durch die Gegend, dabei verliert Hoffmann seine Brille. Niklaus warnt Hoffmann, dass Olympia nicht nur wie eine echte Puppe aussieht, sondern auch eine echte Puppe ist.

Der böse Lindorf platzt herein - Spalanzis Scheck war nicht gedeckt! Olympia tanzt immer noch völlig unkontrolliert, sie singt immer höher und schneller, bis sie schließlich in ein anderes Zimmer geführt wird. Plötzlich hören wir von nebenan ein Knirschen wie von einer zerberstenden Maschine. Lindorf kommt böse lachend aus Olympias Zimmer. Hoffmann rennt panisch in ihr Zimmer und kommt einen Moment später mit ein paar zerstörten Maschinenteilen wieder heraus. Olympia ist kaputt. Hoffmann ist betzrübt und entsetzt, dass er Opfer dieser Täuschung geworden ist. Die Gäste lachen ihn aus.

2. Akt (Antonia): Die schöne Antonia Crespel (gespielt von der gleichen Spüranistin, die auch Olympia gespielt hat) stirbt gerade, wie so viele andere Opernheldinnen, an Tuberkulose. Als sie ein trauriges Lied zu Ende gesungen hat, herrscht ihr Vater (Bariton) sie an, sie solle das Singen sein lassen, da es sie zu sehr schwäche. Herr Crespel versucht dem alten tauben Diener Franz zu erklären, dass niemand Antonia sehen darf.

Hoffmann tritt auf und singt mit Antonia ein Liebesduett, was sie natürlich noch kranker macht. Ihr Vater tritt in Begleitung des bösen Dr. Lindorf ins Zimmer, der Antonia wie verzaubert ganz hohe Noten singen lässt. Hoffmann bittet sie, damit aufzuhören. Aber Dr. Lindorf schnappt sich die Geige und begleitet Antonia, die sich in immer ausgeflippteres Singen steigert - natürlich stirbt sie daran.

3. Akt (Giulietta): Auf einer Party in Venedig, die hinter der Bühne stattfindet, hören wir eine Melodie, die inzwischen von Generationen von Klavierschülern gespielt wurde, die Barkaole, "Schöne Nacht, du Liebesnacht".

Hoffmanns Freund Niklaus kommt mit einer fabelhaft aussehenden Frau herein (in der Sie vermutlich Olympia und Antonia wiedererkennen werden). Sie heißt Giulietta. Sie ist, öh, eine Dame der Nacht. Als sie sich neben Hoffmann setzt, wird ihr Freund Schlemil (Bass) fürchterlich eifersüchtig.

Der Zauberer Lindorf tritt auf und erzählt uns seinen Bösen Plan: Hoffmann soll sich in Giulietta verlieben, und sie wird später für Schlemils Tod verantwortlich sein. Damit das gelingt, benutzt Lindorf einen großen Zauberdiamanten: "Strahle Diamant, du Spiegel"

Lindorf verlangt von Giulietta, mit diesem Diamanten Hoffmanns Spiegelbild einzufangen, das ihm in seiner Sammlung noch fehlt. Trotz seiner anfänglichen Proteste verliebt Hoffmann sich in Giulietta und gibt ihr sogar sein Spiegelbild, nur damit sie ein weiteres Liebesduett singen können.

Schlemil und Hoffmann streiten sich um den Schlüssel zu Giuliettas Zimmer. Weil Hoffmann das Schwert des bösen Lindorf benutzt, gelingt es ihm, Schlemil zu töten. Er bekommt den Schlüssel. Leider ist es aber schon zu spät: Giulietta sitzt bereits mit einem anderen Freund in einer Gondel und fährt davon.

Nachspiel: Wir befinden uns wieder in der Bar. Hoffmann sagt den Studenten, dass dies nun das Ende der Geschichte sei. ("Voilà quelle fut l'histoire"). Niklaus findet heraus, dass Hoffmanns drei Geliebte in Wirklichkeit alle ein und dieselbe Person sind, nämlich Stella, die Opernsängerin.

Plötzlich erscheint die Muse der Dichtung (Sopran) - das ist eigentlich auch Niklaus, der sich für ein paar Minuten in ein Mädchen verwandeln muss - und gebietet Hoffmann, sich ausschließlich der Muse und seiner Kunst zu widmen.

Eine sterngleiche Schönheit, Stella, kommt in die Bar. Es handelt sich hier um die Frau, die Hoffmann auch in allen drei Akten vor Augen hatte. Aber Hoffmann ist so betrunken, dass er schon nichts mehr mitbekommt. Als der böse Lindorf mit Stella aus dem Zimmer geht, wirft sie Hoffmann noch eine Blume zu - aber der ist schon völlig in sich zusammengesunken und kann nicht mehr reagieren.

Obwohl dieser "Opernführer" an manchen Stellen etwas ungenau und amerikanisch daherkommt und auch nur eine Lektüre für jemanden darstellt, der sich näher mit der Materie des Singspiels befassen will, so ist es doch dasjenige Buch seiner Gattung, in dem ich bis jetzt am meisten gelesen habe.

6 von 8 möglichen Punkten

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