Mittwoch, August 01, 2007

Die po8ische Rezension #5

Papst-Entzauberung - Hubertus Mynarek
(ISBN: 978-3-8334-8033-1 - über BoD oder Buchhandlung)

Gezaubert wird in der katholischen Kirche ja viel, obwohl man Magie und Magier wie z.B. den fiktiven Harry Potter strikt ablehnt. So wird z.B. bei der Taufe ein "unauslöschliches" Mal auf die Seele des Täuflings gezaubert, in der Eucharistie wird Wein in Blut und Kekse in Menschenfleisch verzaubert und beim Exorzismus wird angeblich mittels der stärkeren Magie die schwächere aus dem Körper des bemittleidenswerten und psychisch kranken Individuums ausgetrieben. Höchste Zeit also, dass der Ratio-Ratzinger, der scheinbar bedeutendste Theologe unserer Zeit, über den vatikantreue Medien wie z.B. BILD nihil nisi bene (nichts, wenn nicht gutes) berichten, mal ein bisschen in puncto Rationalität abgeklopft wird.

Dies übernimmt Hubertus Mynarek mit Bravour, kennt er doch den Ratzinger-Papst persönlich und ist seines Zeichens Theologe, dem man allerdings nach seinem Kirchenaustritt 1972 die Lehrerlaubnis entzog und ihn noch mit allerlei anderen profanen Methoden gängelte, wie z.B. mit etlichen Prozessen überzog, die Mynarek nach zähem Ringen gewann oder sein Fahrzeug sabotierte.

Dezidiert zeigt er an Ratzingers Enzyklika "deus caritas est" (Gott ist die Liebe), dass sich der alte Dogmatiker und Großinquisitor Vorsitzende der "Kongregation der Römischen und universalen Inquisition für die Glaubenslehre" eigentlich viel weniger geändert hat, als das an allen Ecken und Enden behauptet wird. Er zeigt auf, dass mit Ratzinger nicht eine neue "Ratio", also eine neue Vernunft, im Vatikan einzieht, sondern dass dieser reziprok zu seinen Wurzeln zurückkehrt, d.h. fundamentaler und radikalisierter wird als zuvor. Wer mir an dieser Stelle schon nicht "glaubt", der betrachte die Ereignisse der letzten Wochen in denen der Ratzinger-Papst allen anderen christlichen Vereinigungen die Berechtigung eine "Kirche" zu sein absprach oder die Wiedereinführung der lateinischen Messe und damit eine Abkehr vom 2. Vat. Konzil, welches ja als sooo fortschrittlich gepriesen wurde.

Bewundernswert ist nicht nur Mynareks Eloquenz, die jedoch so "volksnah" ist, dass es auch einen Normalsterblichen nicht abschrecken sollte, sondern auch sein gezieltes Abschweifen vom Hauptthema, das den Leser mit dem nötigen Hintergrund ausstattet, ohne jedoch zu langweilen oder den roten Faden zu verlieren. Ebenso bemerkenswert ist Mynareks theologisches Wissen und seine Insiderkenntnisse von denen der aufgeschlossene Leser an vielen Stellen profitiert.

Leseprobe:

Sind die überaus positiven Benotungen der ersten Enzyklika [Anm.: "deus caritas est"] des neuen Papstes berechtigt? Lassen wir uns zur Beantwortung dieser Frage auf eine nüchternere Betrachtung ein. Eigentlich musste es so kommen, dass das erste große Rundschreiben des neuen Papstes eine Predigt über die Liebe wurde. Leute, die Ratzinger kennen, wissen: Der Mann ist unter dem Mantel einer demutsvollen Bescheidenheit außerordentlich ehrgeizig und nach Anerkennung strebend, zugleich äußerst empfindlich. Jahrelang litt er darunter, dass ihn die kritischere Presse nur als ultrakonservativ und erzreaktionär, als Großinquisitor und gestrengen Glaubenskontrolleur, als Bestrafer abweichlerischer Theologen und Verfasser vatikanischer Schreiben gegen die Befreiungstheologie, gegen die Gleichberechtigung der Frauen, gegen die Kirchenvolksbegehren etc.pp. einstufte. Daher wollte er es jetzt - als Papst - wissen! Mit einem Schlag sollte dieses negative Image weggewischt werden: Der in Glaubensdingen unnachgiebige, eiskalte Inquisitor präsentierte sich mit seiner ersten Enzyklika als Liebender und als Künder eines liebenden Gottes. Die Wandlung vom Saulus zum Paulus in puncto Liebe war perfekt inszeniert! Und große Teile der Presse nahmen ihm das auch kritiklos ab. Ein modernes Märchen schien wahr geworden zu sein. "Aus dem Glaubenswächter ist endgültig ein Hirte geworden", jubelte ein Provinzblatt.

Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Der neue Papst ist der alte Glaubenswächter geblieben! Was er uns über dieLiebe auftischt, ist die übliche scholastisch-dogmatische Lehre über sie, ein langweiliger Katechismus, "in einfacher Sprache katechetischer Sprache" abgefasst. Die Eleganz, die den Stil manch anderer seiner theologischen Schriften auszeichnet, fehlt in seiner ersten Enzyklika fast gänzlich. Aber das ist ja auch nicht so wichtig. Viel wichtiger sind die inhaltlichen Mängel, die wir im Folgenden zur Sprache bringen wollen.
Auf Grund des Mutes Mynareks, sich fast als einziger gegen die neu ausgebrochene Papsthysterie zu stellen, der Tatsache, dass 30 Verlage dieses Buch ablehnten, obwohl diese auch sonst nicht davor zurückschrecken wesentlich weniger fundierte, und teilweise unwissenschaftliche "Werke" herauszugeben, und letztendlich auch Mynareks Art über die volle Länge des Sachbuches den Leser trotzdem gut unterhalten zu können, gibt es die volle Punktzahl.

Bewertung: 8 von 8 möglichen Punkten

Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich gerade auch aus den kritischen Rezensionen viel gelernt habe. Am meisten bereichert und belehrt fühle ich mich durch die Ausführungen von Hubertus Mynarek.
(Joseph Ratzinger)

PS: Wer Mynarek erleben möchte, dem sei Tide 96.0 empfohlen, dort wird am Samstag, den 06. August um 14 Uhr, sowie am Montag, den 08. August um 22 Uhr ein einstündiges (aufgezeichnetes) Gespräch mit ihm über sein Buch ausgestrahlt. Weiters sollte die Sendung auch über den angebotenen Live-stream weltweit empfangen werden können.

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