Stoibers Glaubensgipfel
Nach Mohammed-Karikaturen und TV-Papstsatire geht CSU-Chef Edmund Stoiber in die religiöse Offensive: Gemeinsam mit Vertretern der Glaubensgemeinschaften will er das Strafrecht verschärfen. Vertreter muslimischer Organisationen fehlten bei dem Treffen. [...]
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) fordert als Gastgeber der Runde "einen Grundkonsens, dass nicht alles mit Füßen getreten werden darf, was anderen heilig ist". Deshalb habe er den "politischen Willen", eine Initiative im Bundesrat zur Verschärfung des Strafrechtsparagrafen 166 zu starten, der bisher die Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses unter Strafe stellt.[...]
Hmm... in Bayern hat ja vor allem die C-Partei eine lange tradition und "religiöse" Themen werden dort heißer gekocht als anderswo. Nichtsdestotrotz birgt das ganze Gerangel um § 166 - gerade in Bezug auf die Mohammed-Karikaturen - nicht einer gewissen sozialen Sprengkraft. Da ich nicht davon ausgehen kann, dass jeder diesen StGB-Paragraphen genau kennt, sei dieser hier angeführt:
§ 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und WeltanschauungsvereinigungenBezogen auf die Mohammed-Karikaturen besagt dieser Paragraph, dass wenn ein Zeichner ein paar Bildchen malt, die dazu geeignet sind, einen (vandalisierenden und/oder pöbelnden und/oder plündernden und/oder etc.) Mob von Fundamentalisten auf die Straßen zu bewegen, nicht die Teilnehmer des Mobs, sondern der Zeichner bestraft wird - die Logik verstehe mal wer will...
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Und da lt. Herrn Stoiber "nicht alles mit Füßen getreten werden darf, was anderen heilig ist", plädiere ich hiermit für die Abschaltung der Kirchenglocken und des Muezzins, denn meine Ruhe ist mir heilig!
Es ist für mich auch komplett unverständlich, wieso alle naselang "religiöse Gefühle" verletzt werden können. Eine göttliche Entität kann schon mal per se keine solchen haben (denn dann müsste diese an sich selbst "glauben" - was noch in keiner religiösen Sekte Sinn gemacht hat), d.h. diese Gefühle können nicht gemeint sein. Die einzigen Gefühle, die man verletzen könnte, sind die der Gläubigen. Jetzt gibt es allerdings schon den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 ff StGB), der einen persönlichen verbalen oder optischen (Karikaturen) Angriff ausreichend abdeckt. Auch kann ein Einzelner explizit darlegen, warum und in welchem Maß er beleidigt wurde.
Soll aber - wie von Señor Stoiber gefordert - der Zustand des Beleidigtseins einer Gruppe bewertet werden, wer legt dann den Maßstab fest? Die Kirche? Der Papst? Herr Stoiber? Und vor allem, wie ist man als Gruppe beleidigt? Genügt es, wenn (z.B. bei Popetown) einige Fundamentalisten beleidigt sind oder muss die ganze Christenheit beleidigt sein? Was ist, wenn die Kritik gerechtfertigt ist, aber trotzdem als Beleidigung empfunden wird? Hier würde einer Wischi-Waschi-Rechtssprechung Tür und Tor geöffnet.
Obwohl die christlichen (und auch die islamischen) Schriften (Bibel, Kirchenlehrer etc.) voll von Hetze gegen die "Ungläubigen" sind und diese bestenfalls auf den Mond, schlimmstenfalls in die Hölle wünschen, so habe ich noch keinen organisierten Haufen Atheisten durch die Straßen ziehen sehen, die proklamierten, ihre profanen Gefühle wären durch die Höllenwünscherei verletzt worden. So etwas nennt man nämlich Toleranz - aber davon gab es im Christentum/Islam eh nie genug... ;-)
Der richtige, säkulare Ansatz wäre, Paragraph 166 ersatzlos zu streichen!
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