Samstag, Juni 03, 2006

Neulich in Bratislava...

Da schlägt man seine virtuelle Zeitung auf, liest folgendes
Irland und die Slowakei legen Klage gegen Vorratsdatenspeicherung ein
und freut sich, dass es in EUroland doch den einen oder anderen Mitgliedsstaat gibt, dem Dinge wie Datenschutz, persönliche Freiheit und pauschale Kriminalisierung noch nicht ganz egal sind.

Liest man allerdings den Artikel, so stellt sich heraus, dass Irland&Slowakei nicht wegen der Verfassungsfeindlichkeit an sich dagegen sind, sondern weil das falsche EU-Organ die Richtlinie erlassen hat.

Wer es noch nicht verstanden hat oder sich noch nicht damit beschäftigt hat, hier noch mal das wichtigste zum Mitschreiben:
Die ISPs (Internet Service Provider, also diejenigen, die den Internetzugang bereitstellen) sollen dazu gezwungen werden die Zugangsdaten auf Vorrat zu speichern, lt. Richtlinie 24 Monate. Auf diese dürfen dann, neben den ISPs selbst natürlich, staatliche Organe zum Zweck der Strafverfolgung zugreifen.

Analog könnte man das vergleichen mit der Spurensicherung, die jeden Abend auf St.Pauli die Fingerabdrücke sämtlicher Bierflaschen auf Vorrat sicherstellt, denn es könnte ja eine davon während einer Schlägerei als Waffe verwendet werden. Und die Fingerabdrücke sind noch nicht genug, denn die Wirte sind verpflichtet, die Ausweisdaten der Bierflaschenkäufer zu notieren. (ok, hinkt ein bisschen, macht aber den Wahnsinn der hier betrieben wird etwas besser greifbar)

Weltweit gibt es ca. 1 Mrd. Internetzugänge. Nimmt man an, jeder zugang wird einmal täglich aktiviert und die Vorratsdaten werden "nur" 6 Monate gespeichert (und nicht 3 Jahre lang, wie es die Ir(r)en möchten), dann käme man auf die astronomische Zahl von 180.000.000.000 (i.W.: einhundertachzig Milliarden) Datensätzen. Das Speichern derselben sollte zur heutigen Zeit nicht mehr das ganz große Problem darstellen, aber hat schon mal jemand über die Auswertung nachgedacht? Nehmen wir mal 1 Euro pro 1000 Datensätze zur Auswertung an, so ergäbe das eine Belastung von 180 Mio € - dafür könnte man auch 1800 Spezialisten einstellen (oder mehr als 3000 normale Polizisten). Diese hätten, meiner bescheidenen Meinung nach, eine größere Aussicht auf Erfolg, auch nur einen Kinderschänder oder Terroristen dingfest zu machen - denn diese beiden Gruppen werden litaneihaft heruntergeleiert, wenn es um die Begründung der Datenspeicherung geht.

Der Denkfehler bei der Geschichte ist folgender: die Vorratsdatenspeicherung verhindert erst einmal kein Verbrechen. Sie kann maximal deren Aufklärung erleichtern (ähnlich einer Videoüberwachung), öffnet aber parallel dazu dem Missbrauch Tür und Tor. Wieviel könnte jemandem die Information wert sein, dass sein Vorgesetzter online Blumen bestellt hat und auf der Karte "Für Monique, die bezauberndste Frau auf Erden" steht, seine Frau aber Helga heißt?

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