Eigentlich wollte ich es mir sparen etwas über den aktuellen Amoklauf zu schreiben und vorherzusagen, dass mal wieder "Killerspiele" ganz oben auf der Agenda stehen wird, aber anscheinend wollen die Angehörigen der Opfer ihr Leid und ihre Trauer in Rache verwandeln und mittels eines
offenen Briefs ein "politisches Signal" setzen.
Menschlich ist das nur allzu verständlich, denn es stellt sich unweigerlich die Frage warum so etwas passieren konnte. Nur kann man (wie so oft) die Geschehnisse nicht auf einen Grund auf eine Ursache zurückführen. Folglich wird in o.g. Brief natürlich auch ein ganzes Paket geschnürt, was sich denn so alles in der Gesellschaft verändern müsse, damit die Wiederholung eines solchen Amoklaufs unwahrscheinlicher werde. (Dabei sollte man aber immer im Hinterkopf bewahren, dass es bei weitem wahrscheinlicher ist, bei einem Haushaltsunfall zu sterben, als durch einen Amokschützen ums Leben zu kommen - wieso finden sich so wenig offene Briefe bzgl. dieser großen Gefahr?)
Hier nun die Vorschläge der Angehörigen:
- Wir wollen, dass der Zugang junger Menschen zu Waffen eingeschränkt wird. Die derzeitige gesetzliche Regelung ermöglicht die Ausbildung an einer großkalibrigen Pistole bereits ab dem 14. Lebensjahr. Bedenkt man, dass ein junger Mensch gerade in dieser Zeit durch die Pubertät mit sich selbst beschäftigt und häufig im Unreinen ist, so ist die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 21 Jahre unerlässlich.
Ein derartiger Vorschlag wird die Bundeswehr ganz besonders freuen, welche die Rekruten ja schon ab dem 18. Lebensjahr einzuziehen gedenkt. Weiters war der Amokschütze 18 Jahre alt, die Erhöhung von 14 auf 21 ist somit schlicht willkürlich und ohne Begründung, da dieser nicht die letzten 4 Jahre seines Lebens schießen geübt hat. Dieser Vorschlag zieht lediglich eine zusätzliche Gängelung Tausender vernünftiger Sportschützen nach sich, die plötzlich auf ihren Sport verzichten müssten - und zwar für die nächsten 7 Jahre.
- Wir wollen weniger Gewalt im Fernsehen. Das Fernsehen, als noch wichtigste Informations- und Unterhaltungsplattform, hat einen sehr großen Einfluss auf die Denk- und Gefühlswelt unserer Mitbürger. Das Fernsehen setzt heute die ethischen und moralischen Standards. Wenn wir es zulassen, dass unseren Mitbürgern weiterhin täglich Mord und Totschlag serviert werden, ist abzusehen, dass die Realität langsam, aber stetig dem Medienvorbild folgen wird. Von den Sendern muss verlangt werden, dass sie ein ausgewogenes Programm anbieten und die Zurschaustellung von Gewalt reduziert wird. Eine „Gewaltquote“, der Anteil von Sendungen mit Gewalt in Relation zur Gesamtsendezeit pro Sender, sollte eingeführt werden.
Tja, nachdem mir persönlich das Fernsehprogramm seit Jahren schon nicht gefällt, habe ich die Konsequenz daraus gezogen und schaue es nicht mehr. Das ist die einfachste Lösung, anstatt hier mit "Gewaltquoten" und ähnlichem Firlefanz zu argumentieren. Weiters fehlt auch die fundierte Herleitung, wie das Fernsehen "ethische und moralische Standards" setzen soll. Das Fernsehen ist lediglich ein Spiegel der Gesellschaft, ist dieses amoralisch, so ist es die Gesellschaft auch und somit auch die Unterzeichner dieses Briefes - as simple as that.
- Wir wollen, dass Killerspiele verboten werden. Spiele, ob über Internet oder auf dem PC, die zum Ziel haben, möglichst viele Menschen umzubringen, gehören verboten. Gleiches gilt für alle Gewalt verherrlichenden Spiele, deren Aufbau und Darstellung sehr realistisch sind und bei denen viel Blut fließt.
Und ich will, dass Email verboten wird, denn jeder Amokläufer der letzten Zeit hat vor seinem Amoklauf noch Emails gelesen... Auch hier fehlt wieder jeglicher Nachweis, dass "Killerspiele" Amokläufe begünstigen oder gar verursachen. Sry, aber es geht die Angehörigen (und den Staat) einen glatten Scheißdreck an, was sich auf meiner Festplatte befindet und wieviele tausend Pixelmenschen ich jeden Tag umzubringen gedenke - das ist - wie Religion - Privatsache!
- Wir wollen mehr Jugendschutz im Internet. In der virtuellen Welt werden heute anonym und gefahrlos Gedankengänge artikuliert und diskutiert, die eine Bedrohung für unsere Gesellschaft darstellen. Wie diese Aktivitäten eingedämmt werden können, wissen wir nicht. Es darf aber nicht sein, dass sich junge Menschen anonym gegenseitig aufhetzen und zu Gewalteskalationen auffordern.
Auch hier erschließt sich mir der Gedankengang nur aus einem Vergeltungsbedürfnis. Millionen von Menschen sollen bzgl. der freien Rede eingeschränkt werden, weil 15 Menschen auf tragische Weise ums Leben kamen. Alle sollen leiden, nur weil die Angehörigen auch leiden - sehr seltsam und auch bezeichnend, da doch gerade Deutschland in Bezug auf Jugendschutz eine stete Vorreiterrolle einnimmt und sogar mit Pseudo-Zensur-Gremien (nämlich der BPjM) Erwachsenen den Zugang zu Informationen erschwert bzw. unmöglich macht. Wieso gab es in Ländern, die derartige Überwachungspraktiken nicht haben (Österreich, Italien, Spanien...) nicht wesentlich häufiger derartige Amokläufe, was man ja erwarten würde, hätte diese These nur den Hauch einer Berechtigung.
- Bei Gewaltexzessen wie in Winnenden müssen die Medien dazu verpflichtet werden, den Täter zu anonymisieren. Dies ist eine zentrale Komponente zur Verhinderung von Nachahmungstaten.
Nachdem oben schon die Gedankenfreiheit eingeschränkt werden sollte, hier nun auch noch die Einschränkung der Pressefreiheit - das ist wenigstens Konsequent.
Vielleicht sollten sich die Angehörigen fragen, warum Amokläufe nie in Militärkasernen oder Polizeistationen stattfinden, sondern immer an Schulen oder Universitäten? Jemand der Amoklaufen will, wird sich natürlich einen Ort aussuchen, bei dem er möglichst sicher gehen kann, dass er auf keine Gegenwehr stößt. Und jemand der Amoklaufen will, wird sich auch illegal eine Waffe besorgen können (wie z.B. Erfurt zeigte). Kriminellen ist es nämlich i.d.R. egal ob Waffenbesitz strafbar ist oder nicht, da sie so oder so vorhaben gegen geltendes Recht zu verstoßen - die Waffe ist nur das i-Tüpfelchen.
Insofern möchte ich die Angehörigen dazu aufrufen, mal ein bisschen mehr in der Realtität anzukommen und aus ihrer persönlichen Trauer und ihrem persönlichen Leid nicht eine kollektive Verurteilung der Gesellschaft zu basteln. Was .de wirklich nicht braucht sind noch mehr und noch schärfere Gesetze, sondern weniger Staat und mehr Eigenverantwortung der Bürger.
Ich warte ja nur noch darauf, dass irgendeiner auf die glorreiche Idee kommt Amokläufe bundesweit zu verbieten um das Problem zu beheben...