Dienstag, März 03, 2020

Das po8ische Lexikon #1 - Toleranz

Es gibt leider ein paar Wörter, die finde ich dermaßen ausgelutscht und inhaltsleer, obwohl sie ad nauseam durch alle Medien geistern. Hier werde ich, in loser Reihenfolge und nicht alphabetisch geordnet meinen Senf dazu abgeben - nicht in Gedichtform...

Toleranz

Das Wort kommt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet:
- aushalten
- erdulden
- ertragen

Mich dunkel an meinen Lateinunterricht erinnernd, wurde das Wort dort auch schon in eher negativem Zusammenhang verwendet. Der Held, der die Qualen des Schicksals erdulden musste, das Volk, das die Gefangenschaft ertrug usw. usf.. Das positive an "tolerare" ist, das wir es aushalten (können), aber das negative ist, dass wir es ändern wollen. Der nächste logische Schritt nach tolerieren ist nämlich akzeptieren, verwerfen oder ändern. Bei ändern stehen wir dann wieder am Anfang.
Mal ein Beispiel:
Homosexuelle Beziehungen wurden früher nicht toleriert und auch nicht akzeptiert - es war ein Straftatbestand. Dieser wurde modifiziert (keine Straftat mehr) und sogar vor kurzem die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gesetzlich verankert. D.h. die Zwischenstände wurden von den einzelnen Parteien "toleriert" aber nicht akzeptiert. Der aktuelle Zustand bedeutet für gleichgeschlechtliche Paare das Ende, wohingegen evtl. ein paar Leute, die das nicht akzeptieren können oder wollen, mit der "modifizieren" Schleife weitermachen wollen.

Inspiriert hat mich hierzu Herr Gauck, der bei seiner Buchvorstellung von einer "erweiterten Toleranz" sprach (wie man hier sehen kann). Pastoral religiös wird hier anscheinend (ich werde mir das Buch nicht gönnen) wieder Toleranz beschworen, wo wir doch viel dringender Akzeptanz oder klare Ablehnung bräuchten. Toleranz ist das wischi-waschi, das zwischen-Himmel-und-Erde, das nicht-Fisch und nicht-Fleisch im politischen Sermon, das immer dann beschworen wird, wenn man sich nicht auf eine Seite schlagen will.

Das Wort passt zu allem irgendwie, es ist (komischerweise?) positiv besetzt und wer tolerant ist oder das von sich behauptet, hat schon mal die Likes auf seiner Seite. Ich z.B. bin (wie man mittlerweile wissen sollte) sehr intolerant gegenüber Menschenrechtsverletzungen (wie z.B. das Rumschnippeln an kleinen Kindern, die frühkindliche Indoktrination oder wenn die sexuelle Orientierung zum Straftatbestand wird). D.h. da befinde ich mich in der Schleife, dass diese Zustände modifiziert werden müssen. Ich kann den Status quo nicht akzeptieren - und ich kann auch begründen warum. Sollten sich die Argumente hier ändern, dann wäre ich auch bereit Dinge zu akzeptieren, d.h. ich mache das von den Fakten abhängig.

Genau das kann ich auch nur den dampfplaudernden Politikern empfehlen (z.B. bei der Homöopathie), werdet konkret, bezieht Stellung, trefft eine Entscheidung und schafft Akzeptanz (oder verwerft es), anstatt sich (wie Gauck) immer auf die flauschige Toleranzinsel der Glückseligkeit zurückzuziehen.

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