Sonntag, März 01, 2020

Das Wort zum Sonntag #74

Thema heute: religiöse Symbole in der Öffentlichkeit

Diese Woche hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass für eine klagende Rechtsreferendarin (und anscheinend gläubige Muslima) das Kopftuch bei gewissen Tätigkeiten im Gericht abzulegen sei, wie man hier lesen kann. Für den säkularen Staat (der er ja gem. Grundgesetz sein soll) ist das nur der erste Schritt in die richtige Richtung. Ebenso sollten auch alle religiösen Symbole des Christentums oder jeder anderen Religion aus Gerichten verschwinden.

Ein Gericht sollte ein Ort sein, an dem nach bestem Wissen nach der Wahrheit geforscht wird, um dem Beschuldigten und dem Klagenden das bestmöglichste und fairste Recht gem. der aktuellen Gesetzeslage zukommen zu lassen. Dass Gerichte dieses hehre Ziel nicht immer erreichen ist angesichts der Menschlichen Unzulänglichkeit und Fehleranfälligkeit verständlich, aber wir sollten uns an dieser Idealvorstellung orientieren.

Im Prozess gegen Jörg Kachelmann (btw,   war das z.B. nicht der Fall. Es erfolgte eine mediale Vorverurteilung, das Gericht verhängte Untersuchungshaft usw. usf.. Natürlich sind auch Richter nicht losgelöste juristische Wesen, sondern Menschen mit Vergangenheit. Wenn wir uns z.B. in die Lage einer Richterin versetzen, die in ihrer Jugend sexuelle Nötigung erfahren hat und jetzt über einen sexuellen Nötiger zu urteilen hat, dann ergibt das automatisch ein Spannungsfeld für sie - und zwar in beide Richtungen. Wenn sie besonnen ist, ist sie sich ihrer Geschichte gewahr und wird u.U. zu milde urteilen, um nicht den Verdacht zu erhärten, auf Grund ihrer Biographie Rache zu üben. Umgekehrt könnte sie auf Grund ihrer Erfahrung gerade ein hartes Urteil fällen, weil sie den Sachverhalt selbst erlebt hat.



Doch zurück zur religiösen Symbolik. Wenn ich z.B. wegen Blasphemie angeklagt wäre (§ 166 StGB) und fände mich vor einer Richterin mit Kopftuch wieder (alternativ könnte man hier auch einen Sikh-Richter mit Turban einsetzen oder einen christlichen Richter, der sich vor dem Kruzifix bekreuzigt), so gibt mir als Angeklagten, ohne dass sie/er noch einen Ton gesagt hat, das folgende Information auf:
  • Ich bin hier Richter/in, weil ich am Richtertisch sitze.
  • Ich bewerte die Religionsfreiheit (§ 4 GG) als so hochwertig, dass ich bei der Ausübung einer der rechtsstaatlichsten Tätigkeiten nicht auf meine religiösen Bräuche verzichten möchte.
  • Ich empfinde meine religiöse Erfüllung als höherwertig gegenüber der staatlichen Neutralität, somit gebe ich implizit auch meinen heiligen Schriften Vorrang vor der säkularen Rechtssprechung.

Natürlich kann auch ein Richter ohne religiöse Symbolik glaubensbeeinflusste Urteile sprechen, jedoch erkennt dieser die Hochwertigkeit eines religiös-neutralen Gerichts schon dadurch an, dass er seine privaten religiösen Bedürfnisse zurücksteckt - das lässt dann zumindest hoffen.

In ähnlicher Weise verhält es sich in anderen Einrichtungen des öffentlichen Raums, öffentliche Schulen, Universitäten und Ämter. Dort hat Religiosität bzw. deren Symbolik auch nichts zu suchen. Der kleinste gemeinsame Nenner zwischen allen Glaubensrichtungen und Nicht-Glaubensrichtungen ist der Naturalismus, das, was wir gemeinsam durch unsere Sinne (oder die Sinne erweiternde Messgeräte) feststellen können. Alles andere zählt nicht und darf auch nicht zählen.

Wir gewähren z.B. der Religiosität auch nicht freien Lauf, wenn es z.B. um das Ermorden von Homosexuellen geht. Sowohl in der Bibel als auch im Koran bzw. den Hadithen sind solche Handlungen eine Scheußlichkeit und man muss diese Menschen "aus der Mitte wegschaffen". Wäre die Religionsfreiheit das höchste Gut, so könnten wir Gläubige, die Schwule ermorden, gar nicht mehr zur Rechenschaft ziehen. D.h. wir ziehen sehr wohl eine klare Grenze, und ein pro-life Christ, der einen Abtreibungsarzt erschießt, weil er die vielen "Babyseelen" retten will, wird genauso im Gefängnis landen, wie ein Muslim, der seinem schwulen Nachbarn den Kopf einschlägt, weil das Allah nicht mehr mit ansehen konnte.

Und nur weil bei den religiösen Symbolen diese Grenze nicht so offensichtlich ist, weil durch das Tragen eines Kopftuchs oder Turbans keiner physischen Schaden erleidet, so ist doch genau die gleiche Grenze überschritten, wie bei einem Mord aus religiösen Gründen. Nämlich die Höherstellung alter Ziegenhirtenliteratur über die allgemeine Gesetzgebung. Eine Minderbewertung dessen, was wir uns als Gesellschaft über die Jahrhunderte gegen die Religionen erstritten haben und das z.Zt. unser Goldstandard ist. Genau das ist der Rubikon und der darf nicht überschritten werden.

Wäre die klagende Muslima ein bisschen schlauer oder würde sie sich tatsächlich für die Gesetzgebung in Deutschland interessieren, dann hätte sie imho diese Verfassungsklage bestimmt nicht angestrengt. So sieht es für mich aber wie der Versuch aus, wieder ein Stückchen Land für die Religion (in diesem Fall zufällig Islam, könnte aber auch alles anderes sein) gegen den neutralen Staat zu erkämpfen. Deswegen an dieser Stelle noch mal vielen Dank an das Bundesverfassungsgericht als letzte Brandmauer gegen den religiösen Wahn - die Politiker in Berlin bekommen das ja nicht wirklich hin.

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