Wie man z.B. hier, aber auch an anderen Stellen lesen kann, bleibt von der großspurig angelegten Aufdeckungsaktion weniger übrig als ein Kaninchenfurz:
Im Herbst 2018 machte die Missbrauchsstudie der katholischen Kirche mit erschreckenden Zahlen Schlagzeilen: Mindestens 3677 Minderjährige wurden in den Jahren 1946 bis 2014 von 1670 Klerikern missbraucht.
Man hat zur Ermittlung der Daten schon fast 8 Jahre gebraucht, jetzt streitet man sich u.a. über Entschädigung (und aus welchem Topf diese zu bezahlen wäre) und wieder sind weitere zwei Jahre vergangen, in denen die Kirche nichts gemacht hat außer: die Täter in den eigenen Reihen zu schützen!
Prof. Holm Putzke, der schon sehr positiv bei den Beschneidungsdiskussionen aufgefallen ist, dem aber imho v.a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu wenig Raum gegeben wird (evtl. weil er gegen Religioten aber für Kinder argumentiert?), formuliert das so:
... die katholische Kirche habe sich "redlich darum bemüht, damit die in ihren Reihen massenweise begangenen Verbrechen an Kindern inzwischen nicht mehr verfolgbar sind".
Ich hatte selbst damals, noch bevor die Studie in Auftrag gegeben wurde, auf die Schweinerei im Bistum Regensburg hingewiesen, die natürlich ohne jegliche Konsequenzen für Bischof Müller verlaufen ist. Wie man es erwartete und wie man es von den Kirchen kennt, Probleme werden andiskutiert und dann ausgesessen. Das Strafgesetzbuch mag für den profanen Kinderschänder gelten, klerikale Kinderficker scheinen über diesem zu stehen, weil sie ja innerkirchlich (meist mit Versetzung) bestraft würden - was für eine Heuchelei und Bigotterie.
Doch ein Punkt stört extrem, der speziell die katholische Kirche betrifft: die unsägliche Verquickung von Zölibat und Kindesmissbrauch. Das liest sich wie folgt:
„Denn der Zölibat ist Teil eines Systems. Und der Zölibat ist ein Risikofaktor für den Missbrauch. Deshalb darf man das Thema nicht länger aussitzen oder in einer Entschuldigungsrhethorik vertuschen. Sondern, es muss grundsätzlich dieses Problem, das Systemproblem, angegangen werden – und zwar im Interesse der Opfer“ (Deutschlandfunk, Hubert Wolf, Theologe)
Der Zölibat ist nicht die Ursache, aber er begünstigt den Missbrauch. Offensichtlich werden Menschen mit einer verkorksten Sexualität vom Zölibat des katholischen Priestertums besonders angezogen. (Zeit, Anselm Bilgri, ehem. Benediktinermönch und Priester)
Deutsche Welle: Würde nicht etwa die Abschaffung des Pflichtzölibats helfen? In dem Bericht, der letztes Jahr von der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellt wurde, heißt es, dass das Pflichtzölibat der Priester ein Faktor sei, der Missbrauch begünstigen kann.
Zollner: Aber in dem Bericht steht auch drin, dass der Zölibat nicht eo ipso zum Missbrauch führt. Insofern ist das selbst in dem Bericht nicht eindeutig. Wenn man in andere Berichte schaut, die in den USA, Australien oder sonstwo von Regierungen im Auftrag gegeben wurden, dort heißt es: Der Zölibat führt nicht zum Missbrauch. Dass ein zölibatär Lebender im Lauf der Zeit zu einem Risikofaktor für Missbrauch, aber nicht nur vom Missbrauch von Jugendlichen, sondern auch von Alkohol oder von sonstwas werden kann, ist eine andere Sache. Dazu braucht es eine andere Art vom Vorgehen. Zu erwarten, dass durch die Aufhebung des Zölibats der Missbrauch ein für allemal verschwindet, ist sehr falsch - vor allem auch wenn man in die Gesellschaft und in die anderen Religionen hineinschaut. (DW, Hans Zollner
Dazu gehörten „Machtmissbrauch und Klerikalismus, Sexualität und Sexualmoral, Zölibat und Ausbildung der Priester“. Allerdings sei „der Zölibat nicht die Ursache für Missbrauch, das ist absolut nicht der Fall“. Dennoch könne ein Leben in der Ehelosigkeit kombiniert mit bestimmten Schwächen einer Person zum Problem werden. (Der Tagesspiegel, Kardinal Marx, Vorsitzender der Bischofskonferenz)
Ich habe natürlich vollstes Verständnis dafür, dass die progressiveren Kreise den Zölibat loswerden wollen, nur sollte er in diesem Zusammenhang eines nicht verschleiern: die faktischen Verbrechen an Kindern und Minderjährigen. Manche Ausführung liest sich so, als wäre der Zölibat so etwas wie der fehlende Sicherheitsgurt im Auto, durch den ein erhöhtes Verletzungsrisiko bestünde. Auch ist das Aufführen von beiden Begriffen in meinen Augen grob falsch. Es gab und gibt auch Missbrauchsfälle auf protestantischer Seite und dort gibt es den Zölibat nicht.
Der faktische Zölibat sieht in Deutschland so aus, dass eine Beziehung des Priesters mit seiner Haushälterin oder seinem Haushälter geduldet wird. Sogar für uneheliche Kinder aus diesen Beziehungen übernimmt die Kirche den Unterhalt. Wer also damit leben kann, dass er nicht auf dem Papier verheiratet ist, den perforiert der Zölibat nur tangential. Andere Priester haben auch schon die Kirche verlassen oder ihr Priesteramt niedergelegt, um offiziell heiraten zu können.
D.h. der Zölibat ist vernachlässigbar - auch und gerade als Risiko. Durch die Vermengung der Begriffe entsteht beim laienhaften Zuhören aber folgender Eindruck:
"Der arme Herr Pfarrer konnte ja nicht anders, als sich am Ministranten zu vergreifen, wenn ihn die Kirche doch keine Frau haben lässt...."Der "Herr Pfarrer" ist aber ein erwachsener Mann, der wusste auf was er sich einlässt. Der Herr Pfarrer hat die Hochschulreife erworben und ein Theologiestudium (egal wie blöd das auch ist) absolviert und der Herr Pfarrer sollte auch wissen, dass sexuelle Handlungen an Minderjährigen einen Straftatbestand darstellen. Das ist durch nichts zu entschuldigen, am wenigsten durch den Zölibat!