Sonntag, Mai 03, 2009

Neulich beim Nichtwählen...

Es sind ja nicht mehr allzuviele Sonntage hin, bis man sich in Deutschland die nächsten Pappnasen aussuchen darf, von denen man sich beherrschen lassen möchte. Umso interessanter finde ich - als zahlender Zuschauer wohlgemerkt, denn nicht jeder der in .de in die staatliche Umverteilung einbezahlt bekommt sein Recht auf ein bzw. zwei Kreuzchen -, dass mit Sicherheit auch über die große Menge der Nichtwähler lamentiert werden wird.

Umso erstaunlicher finde ich es, dass allen Nichtwählern pauschal Wahlfaulheit unterstellt wird. Das wäre ungefähr genauso, wie wenn ich allen C-Parteienwählern geschichtliche Unkenntnis unterstellte, nämlich dahingehend, dass es v.a. die Zentrumspartei war (aus der die C-Parteien hervorgingen und welche immer schon stark christlich durchtränkt war) die Hitler vor +70 Jahren den Weg ebnete.

So wie man dem kreuzbraven Wähler unterstellt, dass er aus seiner politischen Urteilsbildung sein Kreuzchen machte und nicht deswegen die CDU ankreuzt, weil er seine Karre verschrotten konnte, so sollte man den Nichtwählern unterstellen deswegen nicht mehr zur Wahl zu gehen, weil sie sich aktiv gegen das bestehende System entscheiden wollen - und das geht eben nur dadurch, dass man nicht hingeht. Selbst ein ungültiger Wahlzettel würde bescheinigen, dass man prinzipiell mit dieser Art der Herrschaft einverstanden ist, nur auf diesem Wahlzettel keine geeignete Herrscherkaste dabei war.

Und auch und gerade auch bei den Nichtwählern zeigt sich am deutlichsten, wie die parlamentarische Demokratie versagt. So man nämlich wirklich ein repräsentatives Abbild der Wähler haben möchte, dann müsste man auch die Nichtwählersitze im Parlament leer lassen. π x Daumen sind ca. 600 Sitze vorhanden, bei einer Wahlbeteiligung 2005 von 77,7% bedeutet das 23,3% aller Sitze, also ca. 140 Sitze, würde leer bleiben. Das sind fast so viele Sitze, wie jetzt die Grünen, die Linke und die FDP zusammen einnehmen.

Hört sich das nur für mich seltsam an, wenn man sagt, dass zwar niemand gezwungen wird zur Wahl zu gehen, aber anschließend gezwungen wird sich dem Diktat der Mehrheit zu beugen, ohne dass seine Entscheidung in irgendeiner Art und Weise berücksichtigt wird?
»Auf [dem] Planeten sind die Leute Leute. Die Anführer sind Eidechsen. Die Leute hassen die Eidechsen, und die Eidechsen regieren die Leute.«
»Merkwürdig«, sagte Arthur. »Ich meine, du sagtest, es wäre eine Demokratie.«
»Sagte ich«, sagte Ford, »ist es auch.«
»Und warum«, sagte Arthur, der hoffte, er höre sich nicht lächerlich begriffsstutzig an, »schaffen sich die Leute dann die Eidechsen nicht vom Halse?«
»Das kommt ihnen ehrlich gesagt nicht in den Sinn«, sagte Ford. »Sie haben alle das Wahlrecht, und so nehmen sie schlichtweg an, daß die Regierung, die sie gewählt haben, mehr oder weniger der Regierung nahekommt, die sie sich wünschen.«
»Du meinst, sie wählen tatsächlich die Eidechsen?«
»Aber ja«, sagte Ford achselzuckend, »natürlich«
»Aber«, sagte Arthur und stürzte von neuem auf die Kernfrage los, »warum?«
»Weil, wenn sie keine Eidechse wählen würden«, sagte Ford, »käme vielleicht die falsche Eidechse ans Ruder.«

(Douglas Adams, Macht's gut und Danke für den Fisch)

5 Kommentare:

Tammo Oxhoft hat gesagt…

So man nämlich wirklich ein repräsentatives Abbild der Wähler haben möchte, dann müsste man auch die Nichtwählersitze im Parlament leer lassen.Das ist die Sache mit dem Konjunktive: Wenn meine Großmutter Räder HÄTTE, wäre sie….Es ist aber nun einmal nicht so, daß Nichtwähler im Parlament in irgendeiner Weise repräsentiert würden.
Die fallen einfach unter den Tisch und sind von keinerlei Interesse.

Das heißt, daß sie ihre gestalterische Macht einfach aufgeben - zur Freude derjenigen, die in den Parlamenten sitzen und sich durch politisches Desinteresse der Wähler begünstigt wieder ihre Listenplätze ermauscheln können.

Wer nicht wählt, unterstützt damit de facto die Ist-Regierung, da diese pro Nichtwähler eine potentiell oppositionelle Stimme weniger zu befürchten haben.
Nichtwähler zementieren dadurch die bestehenden politischen Verhältnisse.

In anderen Staaten der Erde, die durchaus als Demokratien gelten, wie die USA zum Beispiel, ist es geradezu üblich, daß weit weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten wählen (2008 war eine Ausnahme) - das Resultat des allgemeinen Desinteresse ist dann eine achtjährige Bush-Herrschaft, die sich auf gerade mal 20% der Wähler stützt - das hat man den Nichtwählern zu verdanken.

LG
T

Po8 hat gesagt…

Diese "gestalterische Macht" halte ich für eine Farce. Das ist in etwa so, als ob man den Sklaven per "demokratischem Prozess" darüber entscheiden ließe, welche Farbe seine Fußfesseln denn haben sollen.

Und die Macht wäre dann auf der Seite der Nichtwähler, wenn wir denn mal 100% Nichtwähler hätten ;-)

Tammo Oxhoft hat gesagt…

WENN wir 100% Nichtwähler hätten, bedeutete das die totale Merkel-Willkür. Sie könnte dann mit ihrer eigenen Stimme alle Sitze des Bundestags bekommen und wäre komplett entfesselt.

Unser demokratisches System ist großer Mist, wie es so schön heißt. Aber eben dennoch ein bißchen besser als aller bekannten Alternativen.
Wem „die Parteien“ nicht gefallen, dem ist es immerhin frei gestellt sich entweder in einer bestehenden Partei zu engagieren und dort für eine andere Ausrichtung zu werben, oder aber auch eine ganz neue Partei zu gründen.
Es gibt ja immerhin ein paar Beispiele dafür, daß es erfolgreich klappte mit vollkommen neuen Parteien in Landes- und auch das Bundesparlament zu kommen. Sogar in die Regierung. Obwohl die bestehenden Parteien ihr Möglichstes taten, um das zu verhindern.
Legendär wie sich Kohl und Konsorten in den frühen 80ern mit voller Perfidie hetzend gegen die Grünen ins Zeug warfen. Tja, und 1998 wurde dann der Typ den alle Bürgerlichen wie die Pest hassten und bekämpft hatten, Vizekanzler, während Kohl selbst erst in die Opposition und dann vor Gericht mußte!
So kann’s gehen.
Und den Wählern ist es zu danken. Die Nichtwähler haben nur Kohl geholfen - jeder einzelne Wahlberechtigte, der nicht wählt, macht es der Regierung um eine Stimme leichter die Mehrheit zu bekommen.

Po8 hat gesagt…

Du hast ja in weiten Teilen recht. Nur schau Dir an, wo die Grünen starteten und wo sie nun angelangt sind - Mainstream pur und nur eine Handbreit entfernt von der Ökodiktatur.

Wie schwer hätte es Kohl erst gehabt, wenn er sich alleine gewählt hätte, einen von 600 Sitzen gehabt hätte und die restlichen Sitze leer gewesen wären?

Und eine kleine Korrektur muss ich noch anbringen. Es ist nicht "besser als alle bekannten Alternativen" sondern nur besser als alle Alternativen die wir bis jetzt ausprobiert haben ;-)

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Es gibt ja nun seit den Grünen schon wieder eine neue Partei im System - daß in WESTdeutschland auch mal die LINKEn in ein Parlament kommen würden, war ja vor ein paar Jahren noch undenkbar.
Und wenn einem das nicht passt, muß man eben NOCH eine neue Partei gründen. Auf lokaler Ebene ist das umso leichter - allein was hier in HH schon alles so im Parlament rumkrauchte!

In unserem System ist im Parlament Platz für 19 Parteien! Da ist also noch Luft!

Wenn Kohl nur EINE Stimme bekommen hätte und niemand anders gewählt hätte, wären aber alle 600 Sitze seine gewesen! Leer wäre damit noch nichts gewesen - die CDU-Liste hätte er mit seinen ganzen ihn anbetenden Epigonen allemal noch voll bekommen.

Touché mit den „noch nicht ausprobierten“ Alternativen - aber irgendeine Vorstellung bräuchte man vorher ja schon, um das auszuprobieren, oder?
Das mit den anarchischen Strukturen - gab es meines Wissens auch nur einmal bisher (in Spanien) - war ja nun auch eher suboptimal in der Umsetzung.
Am Ende war dann Franco dran - und da habe ich ja noch lieber die große Koalition, wenn ich auch schon eine Menge Vomex fressen muß, um mich nicht pausenlos zu übergeben, wenn ich Bundestagsdebatten sehe…..


;)
LGT