Sonntag, Mai 25, 2008

Das Wort zum Sonntag #46

Thema heute:
Sind "religiöse Gefühle" ein Argument?

Oder einfacher gefragt, sind Gefühle ein Argument? Mit Sicherheit sind Gefühle im zwischenmenschlichen Bereich ein Argument (wenn auch kein gutes), in dem z.B. dem Partner klargemacht wird, dass er die eigenen Gefühle verletzt, auf diesen rumtrampelte oder gar keine mehr hätte etc.pp..

"Religiöse Gefühle" kann man allgemein als "weltanschauliche Gefühle" fassen, d.h. jede Weltanschauung die wir uns aneignen ruft in uns natürlich auch Gefühle hervor. So ruft das Weltbild "ich bin eine gute Mutter" jede Menge positive Gefühle hervor, wenn die filia oder der filius sich genau so verhalten, wie man sich das vorgestellt hat, jede Menge negative Gefühle aber, wenn die/der Kleine an o.g. Weltbild durch schlechtes Benehmen zu rütteln anfängt.

Wenn jetzt z.B. ein Künstler eine Sau durchs Dorf jagt, auf der groß Mohammed geschrieben steht, so fühlen sich Muslime in ihren "religiösen Gefühlen" verletzt, weil das Lebewesen, dass bei ihnen (unbegründet!) an letzter Stelle steht, mit dem (angeblichen) Propheten in Verbindung gebracht wird, der bei ihnen an zweiter Stelle steht.

Doch seltsam mutet es an, dass solch ein schwaches Argument stets aus der religiösen Ecke kommt. Mir ist kein Atheist bekannt, der sich durch einen Fußgängerzonenbibelschreier in seinen "atheistischen Gefühlen" verletzt fühlt. Ebenso weiß ich von keinem Kapitalisten, der sich durch einen Tarifabschluss in seinen "kapitalistischen Gefühlen" verletzt sieht. Weiters sind auch Schifahrer unbekannt, die sich von Snowboardern in ihren "schifahrerischen Gefühlen" verletzt meinen (und natürlich vice versa) gleichfalls wie Opernsänger, die sich durch eine Scheiße wie DSDS in ihren musikalischen Gefühlen verletzt wähnen. D.h. sobald "religiöse Gefühle" ins Spiel gebracht werden handelt es sich um ein persönliches oder kollektives Beleidigtsein, eine persönliche oder kollektive Intoleranz (meist) gegenüber einer Meinungsäußerung in Wort und/oder Bild, die mit der eigenen Weltanschauung nicht übereinstimmt.

Doch dürfen wir ein solches Argument in einer säkularen Gesellschaft gelten lassen? Ich denke nicht, denn prinzipiell könnte sich jede Gruppe bei jeder Entscheidung in irgendeiner Art und Weise beleidigt fühlen und dieses Argument vorbringen. Zum Beispiel könnten die Autofahrer beim Bau von Radwegen sich in ihren "automoblilistischen Gefühlen" verletzt fühlen und auf die Barrikaden gehen.


Gefühle solcher Art bringen uns in einer rationalen Diskussion kein Stückchen weiter, im Gegenteil, sie öffnen der Willkür Tür und Tor. Jeder fühlte sich dann irgendwann irgendwie auf den Schlips getreten und forderte unterschwellig Toleranz für seine persönliche Intoleranz, obwohl sich objektiv keine Beleidigung feststellen ließe - denn dafür gibt es einen Paragraphen im StGB.

Somit plädiere dafür, dass man, analog zu Godwin's Law, das "po8ische Gesetz" (oder Po8's Law) einführt, welches besagt, dass derjenige, der "religiöse oder weltanschauliche Gefühle" in die Diskussion einbringt, automatisch verloren hat.
Es ist schwerer, Gefühle, die man hat, zu verbergen, als solche, die man
nicht hat, zu heucheln.
(François Herzog La Rochefoucauld)

Keine Kommentare: