Donnerstag, April 10, 2008

Die po8ische Rezension #9

Der Herr ist kein Hirte - Christopher Hitchens
(Karl Blessing Verlag, ISBN: 978-3-89667-355-8)

"Religion vergiftet alles", das ist das zentrale Thema von Hitchens Buch und man gewinnt auch den Eindruck, dass er recht haben könnte. Seiner allseitsbekannten Eloquenz, die er bei verschiedenen Debatten, die auch auf youtube verfügbar sind, unter Beweis stellte, wurde durch die deutsche Übersetzung kein Abbruch getan und so kann man Argument für Argument verfolgen, wie Hitchens Argument Kapitel für Kapitel belegt wird. Klar, dass man bei ihm, wie aus seinen Debatten bekannt, mit scharfen Formulierungen zu rechnen hat.

Hitchens ist keiner, der ein Blatt vor den Mund nimmt und so nennt er z.B. die Beschneidung, wie sie von Juden oder Muslimen praktiziert wird, eben auch eine Verstümmelung. Er ist (wie auch ich) der Meinung, dass das Neue Testament eigentlich alles noch schlimmer statt besser gemacht hat und sieht, wie Dawkins auch, die Kinder durch dieses "Gift" misshandelt.

Leseprobe:
Auch die anderen menschgemachten Dummheiten und Grausamkeiten der Gottesgläubigen sind schnell festgemacht. Die Folter ist so alt wie dei Garstigkeit der Menschheit, ist der Mensch doch die einzige Spezies mit der nötigen Fantasie, sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, wenn man jemand anderem etwas antut. Wir können der Religion diesen Impuls nicht vorwerfen, aber wir können sie dafür verurteilen, dass sie die Folter institutionalisert und perfektioniert hat. Die Mittelaltermuseen Europas von Holland bis in die Toskana sind vollgestopft mit Instrumenten und Geräten, mit denen fromme Männer austesteten, wie lang sie einen Menschen am Leben erhalten konnten, während er über dem Feuer briet. Wir müssen hier nicht weiter ins Detail gehen, doch es gibt sogar religiöse Bücher, die in diese Kunst einführen und zeigen, wie man mittels Schmerz Ketzerei aufspürt. Wer nicht das Glück hatte, sich an einem Autodafé zu beteiligen, also einem "Glaubensgericht", wie die Folter auch genannt wurde, durfte sich nach Gutdünken Schauermärchen und Albträume ausdenken und sie dem unwissenden Volk verbal verabreichen, um es in einem Zustand permanenter Angst zu halten. In einer Ära, in der es so gut wie keine öffentlichen Vergnügungen gab, entsprach eine nette öffentliche Verbrennung oder das Verstümmeln und Rädern von Menschen in etwa der Dosis an Zerstreuung, die man dem Volk vonseiten der Kirche zu gestatten wagte. Nichts macht deutlicher, dass die Religion vom Menschen erschaffen wurde, als das kranke Hirn, das sich die Hölle ausdachte, dicht gefolgt von dem arg beschränkten Hirn, dem nichts Besseres einfiel, als den Himmel als Ort weltlicher Behaglichkeit oder ewiglicher Langeweile zu beschreiben.
Schon die vorchristlichen Höllen waren sehr unangenehm und vom gleichen sadistischen Einfallsreichtum gezeichnet. Einige der früheren Höllen, die uns bekannt sind - hier vora llem die der Hindus -, hatten eine zeitliche Begrenzung. Ein Sünder wurde beispielsweise zu einer bestimmten Anzahl von Jahren in der Hölle verurteilt, wo jeder Tag sechstausendvierhunder Menschenjahren entsprach. Hatte er einen Priester erschlagen, entsprach die Strafe 149504000000 Jahren. Danach durfte er ins Nirvana einziehen, was wohl mit der Vernichtung gleichzusetzen war. Es blieb den Christen vorbehalten, eine Hölle zu erfinden, aus der es kein Entrinnen gibt - eine Vorstellung, die übrigens auch gern abgekupfert wird: Ich habe einmal gehört, wie Louis Farrakhan, Anführer der häretischen "Nation of Ilsam" mit ausschließlich schwarzen Mitgliedern, der Menge im Madison Square Garden ein entsetzliches Gebrüll entlockte, indem er den Juden voller Verachtung zurief: "Und denkt daran - wenn Gott euch in die Öfen steckt, dann AUF EWIG!"

Hitchens nahm in Kauf, dass im, ob seiner - im Vergleich zu Dawkins - umfangreicheren Islamkritik, der eine oder andere beschränkte Mullah eine Fatwa verehre. Ein umfangreiches Buch in dem argumentativ aber nicht undifferenziert Tacheles gesprochen wird.

8 von 8 möglichen Punkten

Tantum religio potuit suadere malorum. (So viel Übel vermochte die Religion
den Menschen einzureden.)

Lukrez, De rerum natura

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