Samstag, April 12, 2008

Die po8ische Rezension #10

Gott ist tot - Ronald F. Currie
(Goldmann Verlag - ISBN: 978-3-442-31152-1)

Das ist eine der Rezensionen, bei der ich mir wirklich schwer tue. Zwar hat das Buch einen Titel, der mir sehr gut gefällt und auch die Quelle aus der es kam würde die Bewertung stark nach oben treiben, doch leider hat Currie es - wie man in Hamburg sagt - ziemlich verbaselt. Das Buch hat einen sehr zwiespältigen Eindruck in mir hinterlassen, v.a. deswegen weil gute Ansätze nicht konsequent zu Ende gedacht wurden. Und auch wenn der Weg das Ziel sein mag und in englischer Literatur das Wie des Erzählens einen größeren Stellenwert genießt, als das Was, das man erzählt hat, so rettet es das Gesamtwerk doch nicht vor der Mittelmäßigkeit.

Leseprobe:
Aber wir schrieben schlechte Zeiten, das Ende eines Jahrzehnts wirtschaftlicher Krisen mitsamt den dazugehörigen sozialen Misständen: Massenarbeitslosigkeit, ein besorgniserregender Anstieg bei Drogenmissbrauch, häuslicher Gewalt und Eigentumsdelikten, dazu Rassenunruhen, Arbeitskämpfe und, im Zuge der mittlerweile legendären Übernahme des Veteranen-Hospitals in Cleveland durch erboste Golfkriegs-Heimkehrer, organisierte und gewalttätige Insubordination.
Dann erfuhr die Welt von Gottes Tod im Sudan. Soweit sich die Vorfälle rekonstruieren ließen, hatte er menschliche Gestalt angenommen, um den bewaffneten Konflikt zwischen der islamischen Regierung des Sudan und dem christlichen Nuer-Stamm im Süden hautnah mitzuerleben. Er hatte versucht, mit einer Gruppe von Nuer-Flüchtlingen nach Kenia zu gelangen, un sich dabei in einem Nato-Draht-Zaun verfangen, der an ein Minenfeld angrenzte. Ein paar der anderen wollten ihn befreien, mussten aber fliehen, als Kampfflugzeuge der Regierung sie bombardierten. Sein Leichnam, von Dieben nackt ausgezogen und von der Äquatorsonne versengt, wurde nahe der Grenzstadt Kapoeta aufgefunden.
Sein Tod, dieser eine kleine Tod unter Tausenden, wäre unbemerkt geblieben, hätten nicht ein paar Wildhunde, die von seinem Kadaver fraßen, plötzlich begonnen, einen Mischmasch aus Griechisch und Hebräisch zu sprechen und auf den Wassern des Weißen Nils zu wandeln, als wäre er aus Glas.
Die Nachricht vom Tod Gottes, wie könnte es anders sein, traf die Welt wie ein Keulenschlag. Eine Welle von Panik, gesellschaftlichem Aufruhr und allgemein schlechtem Benehmen schwappte über den Erdball. Das Kriegsrecht wurde ausgerufen, und in allen größeren amerikanischen Städten ging die Nationalgarde in Stellung. Die Selbstmordrate bei Nonnen und Geistlichen nahm epidemische Ausmaße an, ebenso wie die Gier nach Seelentröstern wie Kinderschokolade und Yes-Torties, die zu Ladenplünderungen im großen Stil führte. Die meisten, ich inbegriffen, glaubgten das Ende nahe, und eine Zeitlang versteckten wir uns in unseren Häusern, schreckhaft und geduckt, jeden Moment darauf gefasst, mit einem Knall in Fetzen gerissen oder stillschweigend ausgelöscht zu werden.
Und dann geschah etwas Seltsames: gar nichts. Mit der Zeit gestanden wir uns ein, dass die Sonne unverändert morgens auf- und abends unterging, dass die Gezeiten immer noch pünktlich wechselten und dass wir und alle, die wir kannten (die meisten jedenfalls) nach wie vor quicklebendig waren. Fernsehkommentatoren und selbsternannte Experten sonderten Theorien in Hülle und Fülle ab, aber unterm Strich - und die Mehrzahl begriff das intuitiv - sah es einfach so aus: Gott hatte die Welt erschaffen und sie auf ihre Bahn gesetzt, und in dieser Bahn zuckelte sie weiter, auch wenn er nun nicht mehr da war und Ordnung hielt.

Aus der Leseprobe wird auch schon mein größter Kritikpunkt deutlich, denn ich bin der Meinung, dass sich Currie nicht wirklich fundiert mit dem Gottglauben auseinandergesetzt hat. Denn wieso z.B. sollten die Wildhunde Hebräisch sprechen? Ginge es wirklich um die Gegebenheiten am Beginn unserer Zeitrechnung in Palestina, so müsste zumindest Aramäisch die Sprache der Wahl sein. Weiters unterstellt Currie mehr oder weniger stillschweigend den christlichen Gott ohne auf das Problem mit dem Judentum einzugehen. Ebenso geht er nicht im Geringsten darauf ein, wie Gott denn "Ordnung gehalten" hätte.

Das Buch wirft in meinen Augen mehr Fragen auf, vor allem Fragen, was sich der Autor denn dabei gedacht hat. Andererseits umschmeichelt er den Leser mit einem kurzweiligen Schreibstil und teilweise genialen Einfällen für die unterschiedlichen Szenairen, die er anführt, aber selten befriedigend abschließt. Dem Autor ist anscheinend immer wichtiger, wie er etwas erzählt, anstatt was er erzählt. Insofern kann ich dieses Buch eigentlich nur dem empfehlen, der an religionskritischer Literatur so ziemlich alles gelesen hat und sich einfach langweilt.

4 von 8 möglichen Punkten

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