Donnerstag, Februar 28, 2008

Neulich beim Zumwinkeln...

Anscheinend hat die neo-liberale Redaktion von spiegel-online mal wieder die Abstimmung gewonnen, denn so haben diese ein Interview mit dem Linzer Wirtschaftsprofessor Schneider veröffentlicht, in welchem dieser behauptet "Normalbürger hinterziehen mehr Steuern als Reiche". Er lässt sich dabei über Schwarzarbeit aus und dass etwa dreiviertel aller Deutschen Steuerhinterziehung als Volkssport verstünden.


Doch was mich wirklich wundert ist, dass der gute Professor nicht den Finger mal in die Wunde legt, in der es wirklich weh tut. Bis vor dem zweiten Weltkrieg wurde die breite Masse so gut wie gar nicht besteuert. Steuern wurden i.d.R. nur dann erhoben, wenn es einen Krieg zu finanzieren galt. Mittlerweile sind die Hauptträger der Steuerlast die geringen und mittleren Einkommen. Und bzgl. Schwarzarbeit ist es ja wohl so, dass es sich hierbei um einen Schwarzmarkt handelt. Schwarzmärkte - und auch das sollte der Professor wissen - bilden sich ganz selbstverständlich dort, wo der normale Markt nicht mehr funktioniert. Und sieht man das Steuersystem als "Markt" an, so ist hier einiges im Argen.


Im krankhaften Wahn alles irgendwie steuern und regulieren zu müssen wird der Preis des Treibstoffs verdreifacht, der der Zigaretten vervierfacht. Die meisten Waren sind fast 20% teurer als nötig und ein Angestellter verliert (Krankenversicherung und den ganzen anderen Quatsch reingerechnet) schon fast 50% des Gehalts bis es auf seinem Konto ist. Zum Ausgleich jammern die Eliten, wie schlecht es uns doch allen geht, die Unternehmen stimmen mit ein und jammern über die hohen Kosten für deutsche Wertarbeit, und dass man doch ganz dringend bis 67 Jahren arbeiten muss, sonst ist Polen Deutschland in Not.


Doch im Großen und Ganzen basiert das dt. Steuermodell auf dem Grundsatz: warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. Es gibt die Ausnahme, der Ausnahme, der Ausnahme. Je mehr man verdient, desto größer ist die Chance eines der tollen Steuersparmodelle nutzen zu können und je bekannter man ist, desto weniger wird man wegen eines solchen Vergehens hinter schwedische Gardinen gesetzt.


Was wir drigend brauchen sind nicht noch ausgefeiltere Steuern oder noch mehr Kontrolle, sondern mehr Vereinfachung, mehr Gerechtigkeit und mehr Transparenz. Wenn jemand 1.000 Euro verdient und davon 100 € abführen muss, dann sollte man ja wohl erwarten, dass ein Konzern wie Daimler-Chrysler des gleichen tut:
.....als zweiter Extremfall, bezahlte [Anm.: Daimler-Chrysler] von 1997 bis 2002 auf sein (in der Handelsbilanz ausgewiesenes) Weltergebnis durchschnittlich 9 Prozent Steuern: ein wahrhaft steueroptimierter Konzern.

Des weiteren sollte der Staat und seine Bediensteten sich endlich mal als Diener des Volkes verstehen, das sie gewählt hat und mit den Resourcen eben dieses Volkes möglichst schonend umgehen. Das Schwarzbuch des Bunds der Steuerzahler zeigt aber, dass dem nicht wirklich so ist. Wieviel dann hinter verschlossenen Türen noch gemauschelt, geschoben und gedrückt wird, wieviele Lobbyisten in Berlin reinmeiern um das eine oder andere rauszuholen, lässt sich meist nur erahnen und die wenigen publik gewordenen Fälle stellen imho nur die Spitze des Eisbergs dar.



Solange die "Vorbilder" und Eliten wie Zumwinkel, Ackermann & Co. das Bescheißen im großen Stil vormachen (und damit meist noch durchkommen!), muss man sich nicht wundern, wenn der Normal-Sterbliche dies im kleinen Stil und mit seinen bescheidenen Mitteln nachmacht. Nicht eine höhere Bestrafung oder mehr Kontrolle führt zu mehr Steuerehrlichkeit, sondern das Ausnutzen des egoistischen Prinzips in uns allen. Wir sind von Natur aus zwar soziale Wesen, aber bei weitem keine Altruisten. Somit könnte ein möglicher Ausweg sein, freiwillige Steuerehrlichkeit aus der Sicht des Individuums lukrativer zu gestalten als Steuerunehrlichkeit. Steuerunehrlichkeit ist spieltheoretisch gesehen eine stabile Strategie und kann (wie z.B. das Doping) nur über 100%ige Kontrollen in Verbindung mit brachialen Strafen verhindert werden, was aber imho der falsche Ansatz ist. Der Bürger müsste von sich aus gerne Steuern zahlen wollen, anstatt dies aus Angst vor Strafe zu tun, denn Strafe halte ich aus einer ethischen Sicht für äußerst fragwürdig.
Der Satz des Pythagoras umfaßt 24 Worte, das Archimedische Prinzip 67, die Zehn Gebote 179, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300 - und allein Paragraph 19a des deutschen Einkommensteuergesetzes 1862 Worte.
(Erwin Huber)

Keine Kommentare: