Wer mag es nicht, diese Geschichten oder Filme in denen die Rollen klar verteilt sind. Gut gegen Böse, moralisch gegen unmoralisch und am besten gewinnt zum Schluss "das Gute". Ok, evtl. etwas zu langweilig für den heutigen Geschmack... der Gute/die Gute ist nicht mehr zu 100% gut (aber zu 80%) und kommt in der Geschichte/dem Film an einen Punkt an dem er/sie "das Richtige" machen muss - was er/sie dann auch tut. Klar ist es toll, wenn man als Wonder Woman, Super- oder Spiderman die Welt retten, aber die Probleme mit der gut/böse Bewertung fangen schon im Kleinen an.
Schauen wir uns mal folgende Szenarien an:
A:
Ich kann einem Kind
- eine Ohrfeige geben
- über die Wange streichen
B:
Ich kann einem schlafenden Kind
- eine Ohrfeige geben
- über die Wange streichen
- seinen Schlaf gönnen und es in Ruhe lassen
Offensichtlich ist jetzt Handlungsalternative 3) besser als die beiden anderen.
C:
Ich kann einem schlafenden Kind in einem brennenden Haus
- eine Ohrfeige geben und es damit aufwecken um es zu retten
- über die Wange streichen
- seinen Schlaf gönnen und es in Ruhe lassen
Was ich damit aufzeigen will ist, dass schon kleine Änderungen der Eingangsparameter zu anderen Ausgangsparametern bzw. anderen ethischen Bewertungen führen kann. Im Fall C wäre es ggf. strafbar wegen unterlassener Hilfeleistung, wohingegen in Fall A ein anderer Strafrechtsparagraph (Gewalt gegen Kinder) zur Anwendung käme.
Es ist schon schwer genug, mit einer modernen Gesetzgebung dagegen anzukämpfen und diese so gerecht wie möglich zu gestalten, quasi unmöglich ist es, diese, ohne exegetische Verrenkungen, aus alten Büchern über irgendwelche eingebildete Götter herzuleiten. Entweder man landet dann auf Allgemeinplätzen wie "du sollst nicht töten" (was jedem unmittelbar einleuchtet, für das es aber auch etliche Ausnahmen gibt wie z.B. finaler Rettungssschuss, Notwehr, militärischer Konflikt) oder in irgendeinem Mikromanagement, das heute aus der Zeit gefallen ist (Essens- und Sabbat-Vorschriften des Judentums, Verdammung der Homosexualität usw.). Wie belastbar können auch solche Vorgaben in einer sich stetig ändernden Welt sein?
Weil es kein Schwarz oder Weiß gibt, weil niemand hier auf der Erde die Moral für sich gepachtet hat und alle Wertvorstellungen oder ethischen Verhaltensweisen immer einen Konsens darstellen, der sich aus dem aktuell besten Wissen herleitet (und nicht aus dem aktuell vorherrschenden Glauben!) und der argumentativ erstritten werden muss, deswegen kann es keinen moralischen Leitfaden geben, der sich ausschließlich aus einem alten Buch herleitet.
Unsere Handlungen müssen auch immer vor uns selbst auf den Prüfstand gestellt werden. Nicht irgendein Gott hat die Sklaverei abgeschafft, sondern wir als Menschheit haben diese (zumindest auf dem Papier) geächtet. Nicht irgendein Gott hat für die Gleichberechtigung der Frauen gestritten, sondern die Frauen selbst haben das getan - angesichts der schreienden Ungerechtigkeit, die 2000 Jahre Bibelgläubigkeit in Europa hinterlassen hat. Die UN Menschenrechtskonvention wurde nicht von einem religiösen Spinner aufgeschrieben oder durch irgendein Medium von einem Gott diktiert, sondern wir Menschen haben dies auf Grund unseres Intellekts geleistet.
Wir sind heute bedeutend weiter, als es die angeblichen Götter in ihren Schriften je waren und wir sollten uns das nicht mehr von irgendwelchen reaktionären Gottesfürchtigen kaputt machen lassen, deren einzige Argumentationsgrundlage zirkuläre Logik und ein altes Buch ist.
Das Gute, dieser Satz steht fest,
ist stets das Böse, das man lässt.
(Wilhelm Busch)