Thema heute: Die Klerikalisierung der Welt
Seit Ende des zweiten Weltkriegs nimmt in Deutschland der Anteil der religiösen Bevölkerung ab. Aktuell sind ca. 40% konfessionslos und jeweils etwas unter 30% katholisch bzw. protestantisch. Doch sind wir wirklich säkularer geworden oder wurde das Fehlen einer (christlichen) Heilslehre nur kompensiert?
Ich frage mich schon länger, warum wir da sind, wo wir sind, was speziell den öffentlichen Diskurs und die Klimawende betrifft. Meine bislang beste Erklärung dafür ist, dass es sich um eine Kompensation für Religiosität handelt.
Doch zurück zum Anfang:
Der christliche Glaube sieht eine imperfekte Welt - ich denke das ist ein Allgemeinplatz und muss nicht weiter verdeutlicht werden. Schuld an dieser Welt ist der Mensch, der auf Grund der Erbsünde (die Geschichte mit Eva und der Schlange) aus dem Paradies (= perfekte Welt) verstoßen wurde und nun so lange leiden muss, bis er, als rechter Gläubiger, nach dem Tod - oder beim Tag des jüngsten Gerichts - auferstehen wird und dann (wieder) im Paradies ewig weiterleben darf.
Wenn man das jetzt aus der Öko-Perspektive sieht, dann sieht das so aus:
Wir beobachten eine imperfekte Welt (Umweltverschmutzung usw.). Schuld daran ist allein der Mensch, v.a. weil er gierig und unvernünftig ist. Die Heilslehre ist jetzt, Gier (z.B. durch Kommunismus) und Unvernunft (z.B. durch staatliche Maßnahmen) abzuschaffen, was uns quasi das Paradies zurückbringt, aus dem wir gekommen sind.
Ähnlich sieht es mit der Klimabrille aus:
Wir beobachten eine sich erwärmende Welt. Schuld daran ist allein der Mensch, weil er zu viel CO2 in die Luft pustet. Dies führt zwangsläufig zum Weltuntergang (also dem Tag des jüngsten Gerichts) bei dem wir alle sterben werden. Die Heilslehre besteht darin, alles, was CO2 erzeugt, abzustellen um den Zustand des Paradieses von vor 1850 wiederherzustellen.
Und letztlich noch die Identitätspolitik:
Wir beobachten Ungleichheit in der Welt. Schuld daran ist der Mensch bzw. die Gesellschaften die er geschaffen hat, welche prinzipiell und strukturell diese Gleichheit verhindern. Die Heilslehre besteht jetzt darin, alles was vermeintlich ungleich ist, in irgendeiner Art und Weise gleich zu machen - seien es Quoten, Sprache (Leser*innen) oder Geschlecht (LBGQTusw.) - um paradiesische Zustände wiederherzustellen.
Es geht bei den drei Beispielen nicht um Vollständigkeit, sondern darum, den roten Faden aufzuzeigen, der diesen (und anderen Glaubenssystemen wie z.B. Homöopathie) innewohnt. Man kommt von einer Beschreibung der Welt (die Welt ist schlecht, imperfekt, verschmutzt usw.), also einer deskriptiven Sichtweise, die sich auch rational und wissenschaftlich untermauern lässt, zu einer normativen Forderung, die den Boden der Realität verlassen hat. Bei religiösen Glauben ist das nicht so schlimm, da hier der Beweis, auf Grund der Unbeweisbarkeit der Götter, immer schuldig geblieben wird. I.d.R. haben die Weltreligionen auch eher einen esoterischen Ansatz, d.h. kümmern sich zuerst um das Innere des Individuums und im zweiten Schritt um die Gruppe in der es lebt.
In allen drei genannten Beispielen haben wir auch Gallionsfiguren. Das Äquivalent zum Papst und den Heiligen des Katholizismus finden wir auch auf der "säkularen" Seite. Die Grünen, als Glaubensgemeinschaft, die sich plakativ dem Umweltschutz verschrieben haben, realiter aber z.B. als Abgeordnete die meisten Flüge produziert haben. Mit "vegan" wird jetzt das moderne "vegetarisch" zelebriert, dabei sind viele Ansätze nicht im geringsten nachvollziehbar. Mancher, der damit berühmt wurde wie Attila Hildmann, drehen mittlerweile frei im verschwörungstheoretischen Raum - vielleicht auch gerade deswegen. Auch der Kommunismus kennt oder kannte seine Ikonen, war doch Sarah Wagenknecht schon auf einer Ebene mit Rosa Luxemburg, bis sie es wagte die nicht vorhandene Einwanderungspolitik zu kritisieren oder für eine zu plädieren, so konnte man im Anschluss denn Fall von der Paula zur Saula live und in Farbe beobachten. Auf der Identitären Seite sind es Leute wie Judith Butler, die mit der Behauptung, das Geschlecht wäre nur sozial ausgedacht, einer Bewegung den Weg ebnete, die sich heute genauso rassistisch und diskriminierend verhält, wie sie es ihren Gegnern immer vorwirft - aber den Balken im eigenen Auge sieht man ob der religiösen Verblendung eben nicht. Zuletzt natürlich noch Greta Thunberg, women of the year 2019 und mittlerweile volljährig - stellvertretend für alle anderen "Klimaaktivisten", die quasi auch sakrosankt alles in die Welt setzen können (wie letztens hier in Davos) ohne dass auch nur einer aufsteht und ihnen mal die Meinung sagt. Zu groß ist in den meisten Fällen die Angst Umfragewerte oder Follower zu verlieren, öffentlich gebrandmarkt zu werden oder von der Cancle Culture getroffen zu werden.
Was noch allen Systemen gemeinsam ist (ähnlich wie vielen Religionen), ist die Eschatologie, also die Jenseitsgewandtheit. Zwar verspricht keine der genannten ein Leben nach dem Tod, aber alle beschwören das Ende der Welt herbei, sei es über Raubtierkaptialismus, Zerstörung der Natur durch konventionelle Landwirtschaft, strukturelle und immanente Unterdrückung von Minderheiten bei der Identitätspolitik und natürlich der Untergang des Planeten bei den Klimajüngern. Wir werden uns als Menschen irgendwann bewusst, dass unser Leben einmal ein Ende hat. Was könnte da hoffnungsvoller stimmen, als wenn das Leben aller anderen Menschen zum gleichen Zeitpunkt endet? Wir haben dann etwas gemein, haben eine gemeinsame Zeit und die Welt wird sich dann nach unserem gemeinsamen Ableben nicht mehr nur ohne uns sondern auch ohne all die anderen weiterdrehen (oder auch nicht, wenn sie kaputt ist) - ein beruhigendes Gefühl.
Die nächste Gemeinsamkeit ist das Ausblenden aller positiven (oder ggf. negativen) Aspekte, um dem Narrativ nicht zu schaden. Im Christentum sehen wir, dass a posteriori versucht wird, alles zu vereinnahmen, was die Menschheit positives hervorgebracht hat. So wird z.B. stetig behauptet, die Menschenrechte wären auf christlichem Mist gewachsen, wo hingegen noch bis ins 20. Jhd. eben diese Rechte gegen christlich geprägte Staaten erstritten werden mussten.
Gleiches gilt auch für die Quasireligionen. Die kommunistischen Systeme, die wir kennen, hatten Millionen von Toten zur Folge, von denen heute keiner mehr spricht. Seien es die verherenden Hungersnöte unter Stalin oder ca. 15-55 Millionen Hungertoten unter Mao. Wenn heute nach mehr Staat und Regulierung gerufen wird (sei es in der Landwirtschaft oder beim Klima usw.), dann werden diese Eregebnisse ausgeblendet, genauso wie die Tatsache, dass die "Marktwirtschaft" z.B. in Deutschland das Bruttoinlandsprodukt in den letzten 70 Jahren um den Faktor 70 gesteigert wurde. Wir verdanken den fossilen Brennstoffen, dass wir heute zu Hause ohne Probleme einen Geschirrspüler oder eine Waschmaschine betreiben können und zum Mittagessen nicht erst die Kohlen für den Küchenherd aus dem Keller holen müssen - ein Gewinn an Lebenszeit! Ohne die Elektrifizierung der Welt wäre auch eine Digitalisierung unmöglich und so haben wir der Tatsache, dass unsere Eltern, Groß- und Urgroßeltern die Umwelt verschmutzt haben, zu verdanken, dass ich den Text bis hierher schreiben und Sie diesen bis hierhin lesen konnten.
Als letzten Punkt möchte ich noch den Dogmatismus und die Dichotomie aufführen. Für Religionen ist das ja ein Selbstgänger, unhinterfragbare Inhalte die (wenn überhaupt) wie z.B. die Evolutionstheorie erst nach 150 Jahren halbherzig "angenommen" werden - ebenso wie die Einteilung in gut (halal) und böse (haram) wie man es auch im Islam beobachten kann. Auch dies lässt sich sehr gut an den o.g. Strömungen feststellen. Es gibt Inhalte, die nicht kritisiert werden dürfen, ohne sich ins Aus zu begeben. Ein Seitenhieb von Dieter Nuhr vor über einem Jahr gegen Greta beschert ihm immer noch massive Ablehnung in den sozialen Medien. Kritiker der Klimabewegung wie Björn Lomborg oder Michael Shellenberger sind nie in Talkshows zu sehen, allein schon die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen (wie z.B. im Dannenröder Forst) können nicht gestellt werden. Gut ist, wer auf der "richtigen" Seite steht, böse halt alle anderen - das kennt man leider schon und könnte reaktionärer kaum sein. Speziell die Identitätsbewegung tut sich hier unrühmlich hervor, wird doch jeder, der nicht nach deren Pfeife tanzt gleich in eine bestimmte Schublade gesteckt. Verweigert man sich dem sprachlichen "gendern" mittels Sternchen oder ähnlichem Blödsinn, so diskriminiert man Minderheiten, ist also latent rassistisch. Fühlt man sich mit "alter weißer Mann", "Kartoffel" oder "Alman" herabgewürdigt, so liegt man natürlich falsch, weil es keinen Rassismus oder Diskriminierung gegen Weiße geben kann. Dagegen ist jeder der eine Frau ist, eine Behinderung hat, eine dunklere Hautfarbe oder fremd klingenden Nachnamen, per se und qua Existenz ein Opfer, vornehmlich eben jener Kartoffeln, die es keinem recht machen können. Mittlerweile gelten sogar Schwule als transphob, die es ablehnen mit Transmännern (also Frauen, die sich als Mann fühlen aber ggf. noch eine Vagina besitzen) Sex zu haben. Einfacher und billiger kann man sich sein schwarz-weißes Weltbild kaum zimmern.
Die Pandemie des letzten Jahres hat gezeigt, dass auch hier diese Mechanismen greifen und das schon nach kurzer Zeit (Leitfigur Drosten, die Bösen sind die Covidioten usw.). Auch gewisse Sportarten wie Fußball und gewisse "Influencer" haben ein ähnliches Potential. Der Rat kann deswegen nur sein, bleibt skeptisch, schaut euch immer auch die andere Seite an, lasst andere Meinungen zu und haltet euch die Option offen, auch mal euren Standpunkt zu ändern. All das zeichnet eine offene und freie Gesellschaft aus und es wäre schade, wenn wir die Errungenschaften der Aufklärung, auf Grund von intellektueller Verbohrtheit verbunden mit social Media Bubbles, sehenden Auges opfern würden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen