Ich hatte schon an dieser Stelle dargelegt, dass seitens der alten und für heilig gehaltenen Schriften dem ungeborenen Leben kein Sonderstatus zukommt, wie wir es heute in fast allen Ländern beobachten. Nichtsdestotrotz sind so gut wie alle (Fritsen)Lösungen, die Staaten gefunden haben religiös durchdrungen. Ich möchte das Thema aber hier anhand der ethischen Problematik betrachten und insofern "lösche" ich erst einmal alle rechtlichen oder gesellschaftlichen Voraussetzungen oder aktuellen Gegebenheiten.
Ich denke es ist einsichtig, dass ein Kind, das auf die Welt kommt zu 100% Mensch bzw. Person ist und somit auch alle Menschenrechte besitzt. Ebenso einsichtig sollte es auch sein, dass eine unbefruchtete Eizelle zu 0% Mensch bzw. Person ist (abgesehen davon, dass sie halt, wie jede Zelle einer Frau, menschliche DNA enthält - das enthält aber ein Tumor auch). Eine notwendige Voraussetzung für das Empfinden von Schmerz sind Nervenbahnen, diese werden m.W. erst ab ca. dem 2ten Monat gebildet. Eine notwendige Voraussetzung für Bewusstsein ist das Vorhandensein eines Gehirns, die Entwicklung beginnt ab dem 5. Monat. Irgendwelche religiösen Schwurbeleien oder Behauptungen (z.B. von Seelen usw.), dürfen bei dieser Betrachtung keine Rolle spielen.
Anzumerken wäre noch, dass sowohl eine Schwangerschaft als auch deren Abbruch immer ein Risiko für die Frau darstellt. Beides ist nicht ungefährlich und kann selbst heute noch zu Todesfällen führen, wenn diese auch im Vergleich zu vergangenen Jahrhunderten stark zurückgegangen sind. Lag diese in .de 1980 noch bei ca. 20 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten, so verringerte sich das bis 2015 auf unter 5 Todesfälle (siehe hier). Zu Todesfällen bei Schwangerschaftsabbrüchen habe ich keine Zahlen gefunden - zumindest nichts vernünftiges - aber es ist davon auszugehen, dass diese noch unter den Todesfällen der Schwangerschaft liegt, da der Eingriff (wenn überhaupt einer notwendig ist), weniger invasiv ist. Es ist offensichtlich, dass Männer an diesem Risiko nicht partizipieren, nichtsdestotrotz war die Mehrheit der Leute, die die Gesetze beschlossen haben, männlich.
Um die Angelegenheit nicht zusätzlich zu verkomplizieren konzentriere ich mich bei der Betrachtung auf Föten, die 5 Monate oder jünger sind. Das ist zwei Monate über der aktuellen Fristenlösung und noch unterhalb der medizinischen Möglichkeiten einer Frühgeburt das Überleben zu sichern. Hier noch mal ein Bild für das gemeinsame Verständnis:
D.h. wir haben auf der einen Seite eine Frau, der man ihre Menschenrechte offensichtlich nicht absprechen kann und auf der anderen Seite einen Fötus, dem man nicht ohne weiteres Menschenrechte zusprechen kann, da sich keine Definition finden lässt, die einen Fötus zur Person definiert. Selbst wenn Personen in ihrem Leben durch Unfall (z.B. Schumacher) oder Krankheit (z.B. ALS) in einen ähnlichen Zustand kämen, wie ein Fötus, so besaßen sie zumindest zu einem Zeitpunkt (und sei es nur die Geburt) den Status einer Person und waren somit auch im Genuss der vollen Menschenrechte (dies nur, um dem "Argument" zuvorzukommen, man könne dann ja alle töten, die nicht voll bei Verstand seien).
Um meine Prozentzahlen von oben noch mal zu bemühen:
- eine schwangere Frau ist zu 100% Mensch bzw. Person
- ein Fötus vor dem 5. Monat ist zu 0 + x % Mensch bzw. Person
Das ist imho ein starkes Indiz dafür, dass man die Belange des Fötus nicht über die der Frau stellen kann, da hier ein starkes Ungleichgewicht herrscht.
Auch ist es heute m.W. medizinisch noch nicht möglich, einen Fötus zu transplantieren. Leihmutterschaft ist möglich, in vitro Fertilisation auch, aber nicht den Fötus nach Einnistung zu verpflanzen. Insofern ist dieser Fötus, bis er durch Maßnahmen außerhalb des Mutterleibs am Leben erhalten werden kann, zu 100% von der schwangeren Frau abhängig. Stirbt sie, stirbt auch der Fötus. Wir können ihn aus heutiger medizinischer Sicht nicht retten. Das Leben der Schwangeren hingegen ist zu 0% vom Leben des Fötus abhängig. Stirbt dieser (wie es leider auf natürlichem Weg oft genug passiert), so wird dieser vom Körper entsorgt. Auch hieraus ergibt sich imho eine Höhergewichtung des Wohls der Schwangeren vor dem des Fötus.
Aus meiner Sicht gibt es kein sinnvolles Argument, warum einer Frau nicht die Hoheit über die Entscheidung bzgl. einer Abtreibung - zumindest in den ersten 5 Monaten - zugestanden werden soll. Sie ist die (so gut wie) einzige Leidtragende, sie trägt das Risiko des Eingriffs und es besteht z.Zt. keine Möglichkeit den Fötus zu retten, so die Schwangere z.B. Suizid begeht. Nur mit einer kruden Falschdefinition eines Fötus zum "Menschen" gelingt die Quadratur des Kreises, dass plötzlich der Fötus mehr zählt, als die Schwangere von der er abhängig ist.
Übersehen wird bei dieser Pseudodefinition, dass man ethische Dilemmata konstruieren kann, die massiv in die Menschenrechte von Personen eingreifen, wie das folgende, welche die Absurdität der Position verdeutlichen:
Gegeben seien zwei Personen, die in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander stehen und wobei die eine Person nur überleben kann, wenn sie an den Blutkreislauf der anderen angeschlossen ist.
Mehr noch als bei einer Schwangerschaft haben wir es hier mit zwei 100%igen Personen zu tun. Das Überleben der einen hängt vollständig von der anderen ab. Ohne den Zusammenschluss der Blutkreisläufe stirbt die erste Person. Ein Anschluss an selbigen bedeutet für die andere Person ihr bisheriges Leben aufzugeben und fortan als quasi siamesischer Zwilling den Rest deren Lebens mit der ersten Person zu verbringen.
Wie sähe der Fall aus, wenn die kreislaufspendende Person im Koma wäre?
Wie sähe der Fall aus, wenn die kreislaufempfangende Person im Koma wäre?
Wer hat die Entscheidungsgewalt darüber, wie sich die spendende Person zu verhalten hat? Kann jemand oder kann die Gesellschaft wirklich eine Person in diese Entscheidung zwingen? Und falls ja, mit welcher Begründung?
In der aktuellen Rechtsprechung Deutschlands (aber auch Österreichs) wird die Schwangere quasi "entmündigt", muss zunächst einen bürokratischen Hürdenlauf absolvieren, bevor sie dann mit großer Mühe einen Arzt finden kann, der diese Abtreibung auch vornimmt. Für alle Beteiligten ist dann der Eingriff prinzipiell zwar "verboten" (sonst stünde es nicht im StGB) aber unter den vorgenannten Bedingungen "straffrei".
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